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Falsche Prognose
19.10.2010 | 12:16 Uhr

Gegen den »Heißen Herbst« hilft vor allem das Fälschen der Statistik. Nicht drei, sondern mehr als neun Millionen Menschen suchen Arbeit

Die Umfragen zeigen, die Regierung Angela Merkel (CDU) steht schlecht da. Da stören Demonstrationen mehr als sonst. Das Aufschwung-Brimborium mit der Herbstprognose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute soll helfen. Sicherlich wird das Wirtschaftwachstum in diesem Jahr rund drei Prozent betragen, aber wie geht es weiter? Die Ausfuhren werden sinken, weil unsere Haupthandelspartner, die EU-Länder, im kommenden Jahr nur um ein Prozent wachsen. Damit sieht es für die Beschäftigung in den kommenden Jahren mau aus. Die Parole der Regierung aber heißt dennoch: Bleibt zu Hause! Und Merkel und andere Politikaster prophezeien, daß die Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr unter drei Millionen sinken wird.

Was ist aber tatsächlich los auf dem Arbeitsmarkt? Die Zahl der von den Beschäftigten abgeleisteten Arbeitsstunden ist von 52 (1991) auf 48 Milliarden Stunden (2008, dem Jahr vor dem Abschwung) gesunken. Das ist ein Rückgang von 7,7 Prozent. In derselben Zeit ist die Zahl der Beschäftigten von 35,1 auf 35,9 Millionen, das heißt um zwei Prozent, gestiegen. Das wirkt sich günstig auf die Statistik aus. Wie kann es kommen, daß weniger Arbeitsstunden geleistet werden, die Beschäftigungsquote aber dennoch steigt?

Die durchschnittliche Arbeitszeit je Beschäftigten ist wegen der Teilzeitjobs, vielfach erzwungen durch HartzIV, abgesunken und zwar, im rechnerischen Durchschnitt, von 28,5 Stunden je Woche im Jahr 1991 auf 25,7 Stunden je Woche im Jahr 2008. Schließlich gilt: Wer wenigstens 15 Stunden in der Woche arbeitet, der ist offiziell nicht arbeitslos.

Also suchen nur 3,188 Millionen Menschen eine Arbeit (Stand der registrierten Arbeitslosigkeit im August) und demnächst noch weniger? Wenn man richtig rechnet, sind es nicht 3,188, sondern 4,330 Millionen. Diese Differenz von rund 1,1 Millionen setzt sich zusammen aus denen, die arbeitslos, älter als 58 sind und ALGI beziehen (0,35 Millionen), aus den Ein-Euro-Jobbern (0,32 Millionen), den Menschen in beruflicher Weiterbildung (0,19 Millionen) und denen in Eingliederungsmaßnahmen (0,2 Millionen).

Aber das ist noch nicht alles. Im vergangenen Juni teilt das Statistische Amt mit, daß 8,6 Millionen Menschen eine Arbeit suchen. 3,2 Millionen sind registrierte Erwerbslose, 1,2 Millionen gehören zur »Stillen Reserve« (die sind nirgendwo gelistet, suchen aber dennoch eine Stelle). Weitere 4,2 Millionen haben eine Arbeit, die aber nicht zum Leben reicht. Der größte Teil davon ist teilzeitbeschäftigt, ein anderer Teil ist zwar vollzeitbeschäftigt, aber das Einkommen reicht nicht aus. Sie alle suchen eine zusätzliche Beschäftigung. Nicht eingerechnet in diese Zahl von 8,6 Millionen sind all diejenigen, die aus der registrierten Arbeitslosigkeit herausgerechnet wurden, also die Differenz zwischen 4,330 und 3,118 Millionen. Das macht weitere 1,1 Millionen Leute.

Es ist also ein Schmarren, wenn von 3,2 Millionen Arbeitslosen die Rede ist. Die »Stille Reserve«, die Leute im Ein-Euro-Job, sind überhaupt nicht beschäftigt und suchen nach Arbeit, die anderen haben zwar eine Arbeit, so Teilzeit, können davon aber nicht leben. Auf der Suche nach Arbeit sind also, wenngleich aus recht unterschiedlichen Ausgangslagen, insgesamt 9,7 Millionen Menschen.

Herbert Schui ist Mitglied des Bundestages für Die Linke


Herbert Schui in Jungewelt


 
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