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Konrad Hummler und die Räuber
10.06.2011 | 14:56 Uhr

Konrad Hummler und die Räuber 1.06.2011
Der Brief hätte geheim bleiben sollen. Er wurde trotzdem publik. Von unbekannter Quelle aus dem Bundeshaus erhielt ihn die «Tribune de Genève». Unter den sonst so folgsamen Bundesbeamten gibt es also auch noch ein paar aufrechte Bürgerinnen und Bürger.

DISKRETION. Konrad Hummler, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers, hatte zur Feder gegriffen. Im Zorn. Er schrieb an den Bundesrat und beschwerte sich: Das «Vorprellen » der Regierung in den Fällen der Diktatoren Ben Ali, Mubarak, Ghadhafi und Gbagbo habe die Banken «verunsichert». Die Regierung habe «überstürzt» gehandelt. Sie hätte ihre Beschlagnahme der Diktatorengelder auf Schweizer Konten mit ausländischen Regierungen koordinieren sollen. Anders gesagt: Sie hätte warten sollen. Und dann hätte sie – wenn unbedingt nötig – «diskret» agieren sollen. Die Bundesbehörden hätten mit dieser Beschlagnahme der Konten eine «exzessive Transparenz» geübt.
Kurz: Herr Hummler und seine Kumpane sind unzufrieden. Sie befürchten, dass Diktatorengelder in der Schweiz gefährdet seien. Und das schadet ihren ureigenen Geschäftsinteressen. Hier der gegenwärtige Stand der Dinge: Auf der Beschlagnahmungsliste für Tunesien stehen 48 Namen. Eingefroren wurden lächerliche 60 Millionen Franken. Für den Mubarak-Clan hat der Bundesrat eine Liste von weniger als zwanzig vermutlichen Delinquenten aufgestellt. Einge froren wurden bis anhin wenig mehr als 400 Millionen Franken. Auch das eine lächerliche Summe angesichts der 30 Milliarden Dollar, die Mubarak nach Angaben des ägyptischen Militärrates in den vergangenen 32 Jahren gestohlen und ins Ausland verfrachtet hat. Konrad Hummler möchte, dass die Mubaraks und Ben Alis dieser Welt in der Schweiz «diskret », mit weniger «Transparenz» und nur «in Absprache» mit anderen europäischen Regierungen behandelt werden.

DAS RISIKO. Seine Sorge ist verständlich. In den Ali-Baba-Kellern der Schweizer Banken liegen Milliarden gestohlener Gelder. Die Räuber lesen Zeitung. Wird mit einem von ihnen zu harsch, zu «überstürzt», zu «transparent» umgesprungen, sorgen sich die anderen. Und das Risiko besteht, dass sie dann ihr gestohlenes Geld schleunigst von der Zürcher Bahnhofstrasse abziehen und zum Beispiel nach Singapur bringen. Hummlers Zorn hat gute Gründe. Zu seiner Beruhigung könnte er einmal den Artikel 305 des Schweizer Strafgesetzbuches lesen, der sich mit der nötigen Sorgfalt bei Finanzgeschäften beschäftigt. Da heisst es: «Wer berufsmässig fremde Vermögenswerte annimmt, aufbewahrt, anlegen oder übertragen hilft und es unterlässt, mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt die Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft.»
Würde dieses Gesetz von der Justiz auch wirklich angewendet, hätten einige Mitglieder des Hummler-Vereins vermutlich Probleme.


Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein jüngstes Buch, «Der Hass auf den Westen», erschien auf deutsch im Herbst 2009.


Jean Ziegler


 
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