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IG BCE organisiert gewerkschaftsfeindliche Demo
31.08.2010 | 17:04 Uhr

Emdener Firma Windkraftanlagenbauer Bard Energy
organisiert mit IG BCE-Hilfe gewerkschaftsfeindliche Demo


Die Beschäftigungsentwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien ist in Deutschland seit Jahren eine kleine Erfolgsgeschichte. 2009 konnten in diesem Wirtschaftssektor 300.500 Menschen ihr Brot verdienen. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der Beschäftigten um 8 Prozent. Zweitgrößter Sektor ist die Sparte Windenergie mit insgesamt 87.100 Beschäftigten. Doch obwohl der hier entstandene Anlagenbau ein klassisch gewerkschaftlicher Bereich ist, gelingt es den Gewerkschaften keinesfalls im Selbstlauf diese Wirtschaftsentwicklung zur Stärkung des eigenen Organisationsgrads zu nutzen. Trotz des eindrucksvollen Beschäftigungsaufbaus habe man – so steht es im Diskussionspapier „Projekt IG Metall 2009“- „bislang nur eine geringe Tarifbindung durchsetzen können.“
Die Emdener Verwaltungsstelle der IG Metall hat nun sich nun die in diesem Papier formulierte Schlüsselaufgabe der Mitgliederentwicklung als „die zentrale Richtschnur für die Aktivitäten der IG Metall“ zu eigen gemacht und eine Kampagne gegen gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe bei der Rotormontage der Firma Bard Energy organisiert. Die auf Entwicklung, Produktion und die schlüsselfertige Inbetriebnahme von Offshore-Windkraftanlagen spezialisierte Firma hat insgesamt über 1.000 Mitarbeiter. Das Eigenkapital der Gruppe, die 2009 in Emden und Cuxhaven etwa 100 Millionen Euro investiert hat, stellte vor allem der russische Investor Arngolt Bekker.
IG Metaller bauten Infostände auf, zogen sich bedruckte T-Shirts mit der Aufschrift „Schütz`Dich – Arbeiten bei Bard darf nicht krank machen“, über und verteilten Flugblätter vor den Werkstoren. Die IG Metall informierte darüber, dass die verwendeten Epoxidharze zu Allergien und zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Atemwege führen. Die Gewerkschaft kritisierte dabei, dass die Mitarbeiter weder ausreichende Unterweisungen im Umgang mit den Schadstoffen erhalten und auch die technischen Einrichtungen mangelhaft seien oder nicht richtig genützt würden. Da die Geschäftsleitung jedoch nicht bereit ist, sich mit diesem Thema ernsthaft zu befassen, traten immer mehr betroffenen Kollegen in die IG Metall ein, um so den gewerkschaftlichen Druck auf die Firma zu erhöhen. Nach Auskunft der IGM Emden zahlt bei Bard inzwischen eine „dreistellige Zahl“ der Beschäftigten einen Metaller-Mitgliedsbetrag.
Doch der Zuwachs an zahlenden Mitgliedern allein ist noch keine Garantie dafür, dass Erfolge in der Sache sofort greifbar werden. Das zeigt die weitere Entwicklung dieses Konflikts, der so auch in vielen anderen Betrieben ablaufen könnte.
Die Geschäftsleitung von Bard gab sich keineswegs damit zufrieden die gewerkschaftlichen Kritiken einfach auszusitzen. Sie ging zum Gegenangriff über. Dafür hat sie entsprechende Vorarbeiten geleistet. Ein ganz wichtiger Schachzug war es, den Betriebsratsvorsitzenden Udo Grube ins Boot zu holen, der Mitglied der IG BCE ist, die auch im Betrieb über Mitglieder verfügt. Eine exklusives Treffen mit Grube und allen, auf die Verlass schien, wurde einberufen, um eine Gegenkampagne zu vereinbaren. Es gelang den Initiatoren, die Mehrheit der Betriebsräte – die IG Metall stellte noch bis Mai den Betriebsratsvorsitzenden – gegen die IG Metall in Stellung zu bringen und das Gremium für eine öffentlichkeitswirksame Aktion einzuspannen. Mit 7 gecharterten Bussen wurde eine – so die IG Metall – „eindeutig von der Unternehmensleitung gesteuerten Demonstration“ zum Sitz der Emdener Verwaltungsstelle der IG Metall organisiert, an der sich 350 Bard-Beschäftigte beteiligten. Mit Sprechchören wie „Lügner“, „Familienmörder“, „Ihr macht uns nicht kaputt“ und „Wir sind Bard, nicht ihr“ marschierten die Demonstranten, wahrscheinlich bei Lohnfortzahlung, zur Gewerkschaftszentrale und quittierten ein Gesprächsangebot der Gewerkschaftsverantwortlichen mit einem gellenden Pfeifkonzert. Betriebsratschef Grube: „ Wir brauchen die IG Metall nicht“. So konnte diese scheinheilige Allianz der Sozialpartner den fiktiven Eindruck zu erzeugen, als handele es sich bei dem ganzen Aufruhr um einen Konflikt zwischen der Belegschaft und dem Unternehmen auf der einen und fremdsteuernden Gewerkschaftsfunktionären auf der anderen Seite.
Das ist natürlich vollkommener Unsinn, denn der Konflikt geht mitten durch die Belegschaft. Ein harter Kern von zumeist besser gestellten Belegschaftsangehörigen ist davon überzeugt, dass ihr Arbeitsplatz dann am sichersten ist, wenn das Geschäft brummt und die Firma nicht Kosten tragen muss, die diesen erstrebenswerten Zustand beeinträchtigen. Arbeitsplatzängste auch bei anderen greifen leicht, zumal, wenn sie einträchtig von Geschäftsleitung und Belegschaftsvertretung geschürt werden. Bei Bard, und nicht nur hier, so sieht es IGM-Gewerkschaftssekretär Frank Grabbert, ist dafür reichlich der Boden bereitet worden. Beim Windkraftanlagenbauer arbeitet mehr als die Hälfte der Belegschaft in prekären Arbeitsverhältnissen. Viele sind Leiharbeiter, die aus unterschiedlichsten Ländern Europa kommend, oft nach 1/1/2 Jahren Zeitarbeit zu Kettenbefristungen „aufsteigen“. In diesem Teil der Belegschaft befindet sich der Löwenanteil der Monteure, die bei der Rotormontage mit den gesundheitsschädlichen Harzen zu tun haben. Eine Kandidatur dieser Kollegen für den Betriebsrat ist unmittelbar mit der Drohung verbunden, keine Verlängerung mehr für das befristete Arbeitsverhältnis zu bekommen. So war es deshalb auch kein Zufall, dass sich unter den 350 Demonstranten vor allem Büroangestellte und Mitarbeiter des Kabinenbaus befanden, die mit den gesundheitsbedenklichen Stoffen nichts zu tun haben.
Es ist erfreulich, die IG Metall, die sich allzu lange als Lobby sog. „Stammbelegschaften“ begriffen hat und deren Bestand durch Ausweitung sog. „Randbelegschaften“ mitträgt, einmal in einer anderen Rolle zu erleben. Und es ist wichtig, dass solche exemplarischen Auseinandersetzungen auch gewonnen werden und nicht dadurch enden, dass erfolgreich Mitglieder gemacht werden. Die Resonanz in der Bevölkerung auf die Initiative der IG Metall ist trotz des skurrilen Auftritts vor der Emdener IGM-Zentrale - so Sekretär Grabbert - jedenfalls ausgesprochen positiv.
JOCHEN GESTER
Erschienen in SoZ (Sozialistische Zeitung) Nr. 9 – 2010





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