Wer oder was ist der Chemiekreis?
Seit Mitte der 70-er Jahre treffen sich bundesweit Kolleginnen und Kollegen, aus Betrieben überwiegend der chemischen Industrie zum Informations- und Erfahrungsaustausch über betriebliche, gewerkschaftliche und gesellschaftspolitischen Fragen. Gemeinsam war allen die Kritik an der damaligen Gewerkschaftspolitik: der "geräuschlosen Tarifpolitik", der zunehmenden Konzessionen an die Unternehmen und Regierung und dem schmerzlichen Defizit an demokratischem Umgang innerhalb der Gewerkschaftsorganisation.
Was will der Chemiekreis?
Seit dieser Zeit hat sich der von uns kritisierte Gewerkschaftskurs verfestigt und findet seinen Ausdruck in der sogenannten "Standortpolitik", der Unterordnung von Arbeitnehmerinteressen unter das Diktat der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Das Ergebnis ist eine kolossale Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben, sowie ein weltweiter Unterbietungswettbewerb im Rahmen der sogenannten Globalisierung, der insbesondere auf Kosten der Kollegen in den weniger entwickelten Ländern geht. Gewerkschaftliche Grundprinzipien wie Gegenmacht und internationale Solidarität wurden faktisch aufgegeben.
Gemäss den Erfordernissen von schlanker Produktion und schlankem Staat verbreitet sich der Konkurrenzgedanke auf allen betrieblichen und gesellschaftlichen Ebenen und führt zur Ausgrenzung von immer mehr Menschen in Form von Arbeitslosigkeit und Armut, ohne dass die Gewerkschaften dem etwas entgegensetzen. Der Zustand der innergewerkschaftlichen Demokratie hat sich nicht zum besseren gewandelt.
Das Verbindende unter den Teilnehmern am Chemiekreis liegt vor allem darin, dass wir vom klaren Interessengegensatz zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern ausgehen, und Gewerkschaften grundsätzlich als eigenständige, unabhängige und starke Vertretung der Arbeitnehmer begreifen.
Mit unserer Ablehnung der Sozialpartnerschaft stehen wir im Gegensatz zur derzeitigen Politik der Gewerkschaften insbesondere der IG Bergbau, Chemie und Energie (vormals IG Chemie) und der DAG. Einige von uns wurden in den Auseinandersetzungen um den Kurs der Gewerkschaft und der betrieblichen Aktivitäten ausgeschlossen. Wir sehen uns als aktiven Teil der Arbeiterbewegung mit grundsätzlich positivem Bezug zur gewerkschaftlichen Organisation und verstehen unter gesellschaftlicher Demokratie mehr als eine Stimmabgabe in bestimmten Zeitabständen.
Seit 1991 nehmen auch Kolleginnen und Kollegen aus Ostdeutschland teil, die in besonderem Masse von den sozialen Umbrüchen betroffen sind. Ausserdem stehen wir in Verbindung mit gleich oder ähnlich denkenden Kolleginnen und Kollegen aus anderen Industriebereichen.
Internationale Zusammenarbeit
Über den Informations- und Erfahrungsaustausch in Deutschland hinaus, unterhält der Chemiekreis Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen aus vor allem Chemieunternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Ausland. Wir sind der Meinung, dass die Art von "Basiskontakten", wie wir sie verwirklichen, eigentlich von Gewerkschaften getragen werden sollten.
Tatsache ist, dass die Gewerkschaftsvorstände in der Praxis solchen Kontakten auf Belegschaftsebene mit Widerwillen und Misstrauen gegenüberstehen. Wir haben uns daher entschlossen, das, was wir für notwendig halten, in die eigenen Hände zu nehmen, um ohne politische bzw. bürokratische Bevormundung solidarische Kontakte herzustellen und zu pflegen. Wir treten in diesem Zusammenhang auch für eine Veränderung der ungerechten Weltwirtschaftsbeziehungen ein.
Die vielleicht anspruchslose Bezeichnung "Chemiekreis" drückt aus, dass wir weder den Anspruch erheben eine Partei, noch ein Ersatz für eine gewerkschaftliche Organisation zu sein. Dennoch wollen wir nicht darauf verzichten, unserer oben beschriebenen Kritik Ausdruck zu verleihen und unsere Ziele in kollektiver/m, kollegialer/m und demokratischer/m Diskussion und Handeln zu erreichen. Dazu dient uns der Zusammenschluss im Chemiekreis.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Chemiekreis.
Kontakt:
+49 0202-2 74-15 -74, -76 (Tel.)
+49 0202-2 74-15 75 (Fax)
Chemiekreis
Freyastr.47
42117 Wuppertal