Hinter dem Faschismus steckt das Kapital?
Veröffentlicht am 16/10/2025 von Gast Autor — Keine Kommentare ↓
Faschistische Bedrohung und antifaschistische Strategie
Themenabend MASCH-HH am 9.3.25
Referat von B.L.
Ich stelle heute die Faschismus-Analyse von August Thalheimer vor. Thalheimer war zusammen mit Heinrich Brandler bis 1923 einige Jahre in der Führung der KPD. Worüber wir heute reden sind natürlich auch Flügelkämpfe in der KPD, die eine Rolle gespielt haben mit einer schlimmen Geschichte, die wir in Deutschland hatten. Thalheimer war in einem engen Kreis mit Clara Zetkin und Franz Mehring. Die haben im September 1914 zusammen mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht eine Stellungnahme gegen den Kriegskurs der Gewerkschaften und der SPD-Führung publiziert und damit wieder Hoffnung in die arbeitende Bevölkerung in Deutschland gebracht.
Meine beiden Großväter waren im 1. Weltkrieg an der Westfront. Der jüngere hat mir schon als ich noch sehr klein war, erzählt, wie die Franzosen mit Bajonetten auf ihn zu gestürmt sind und er nur gehofft hat, dass der Gurt seines Maschinengewehrs nicht klemmt. Mir wurde als Kind schon klar, dass es in der Situation hinter dem Maschinengewehr zu spät ist. Du musst vorher irgendetwas machen.
Mein Vater wurde mit 19 Jahren an die Ostfront geschickt. Viele Väter haben nicht über den 2. Weltkrieg geredet. Mein Vater hat mir als Kind erzählt, dass die Wehrmacht ganze Eisenbahnzüge voller sowjetischer Kriegsgefangener einfach hat erfrieren lassen.
Ich werde versuchen, aus der konkreten Geschichte die Fraktionskämpfe und die Spaltung der KPD zu erklären und die Analyse von Thalheimer da einzusortieren. Danach werde ich einen Theoretiker vorstellen, Alfred Sohn-Rethel.
Alfred Sohn-Rethel war nicht in der KPD. Er war Sohn eines Kunstmalers und sein Vater hat irgendwann gesagt, meine ganzen Kinder sind Künstler, der Alfred muss etwas anständiges machen, den schickst du mal zum Otto Reusch von der Gute-Hoffnung-Hütte. Er ist dadurch in den Kreis des rheinischen Kohle- und Stahlkapitals gekommen. Er ist als autodidaktischer Marxist in den Mitteleuropäischen Wirtschaftstag MWT gekommen und hat dort die Formierung der deutschen Bourgeoisie für einen neuen imperialistischen Anlauf Anfang der 1930iger Jahre, also noch vor dem Faschismus von innen verfolgen können. Er ist im Faschismus mit hohen Kreisen der damaligen Eliten auch mit Reichswehrkreisen in Kontakt gewesen. 1936 war ihm die GeStaPo auf der Spur. Er hat sich nach England abgesetzt und dort für den Churchill-Flügel der Tories Berichte geschrieben, also für den Flügel, der nicht mit der Appeasement-Politik einverstanden war. Daraus ist dann 1973 beim Suhrkamp-Verlag ein Buch entstanden über dessen Nachdruck man ernsthaft nachdenken sollte:
Alfred Sohn-Rethel: „Ökonomie und Klassenstruktur des deutschen Faschismus“, Suhrkamp, Frankfurt/M, 1973
Im Sommer 1914 sind die in der Sozialdemokratischen Partei und den Gewerkschaften organisierten Menschen unglaublich enttäuscht worden. Im Sommer 1914 gab es noch Hunderttausende auf Anti-Kriegs-Demonstrationen bis sich dann die Führungen von SPD und Gewerkschaften um 180-Grad gedreht haben. Die Folgen waren hungernde Frauen und Männer, die an der Front zerfetzt und vergast wurden. Der Widerstand dagegen bildete sich allmählich, mit der Zimmerwalder Konferenz und der Gründung der KPD. Der revolutionäre Flügel der Sozialdemokratie war im Sommer 1914 vollkommen unvorbereitet. Die Organisation war mühselig vom Spartakus-Bund und der Bremer Linken bis zur KPD.
Im Frühjahr 1919 gab es schreckliche Erfahrungen, eine bis heute völlig verdrängte Geschichte, die schrittweise Massakrierung der revolutionären Arbeiterinnen und Arbeiter: Angefangen nach den Januarkämpfen in Berlin und dann nach und nach im ganzen Reich.
Es gab von Anfang an Flügelkämpfe in der KPD, wie das in jeder lebendigen Organisation normal ist. Es gab Aufstandsversuche wie 1921, die katastrophal gescheitert sind.
Worauf ich großen Wert lege und worauf ich jetzt genauer eingehen werde ist der März 1920, über den ich ein Buch im Regal meines jüngeren Großvaters gefunden habe, aus dem ich euch auch Fotos zeigen werde. Im Versailler Vertrag gab es die Verpflichtung, die Reichswehr auf 100.000 Mann zusammen zu streichen und die Freikorps aufzulösen: Die Marinebrigade Erhard und das Freikorps Lichtschlag, im Volksmund „Freikorps Totschlag“ genannt und alle anderen, so hatten es die Alliierten verfügt.
General Lüttwitz, der von Reichswehrminister Noske als Militärführer eingesetzt worden war, erklärte: Das machen wir nicht! Wir stürzen lieber die Regierung! (Kapp-Lüttwitz-Putsch)
Wir wissen, dass die SPD mit diesen reaktionären Freikorps die revolutionären Bewegungen hat niederkartäschen lassen in diesem Bürgerkrieg 1919. Die Marinebrigade Erhard hatte schon Hakenkreuze auf ihren Stahlhelmen aufgemalt, als sie im März 1920 in Berlin einmarschiert ist. Ebert und Noske wollten nicht mit den Gewerkschaften, Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) und Kommunisten reden, aber Otto Wels hat gesagt: Wir gehen jetzt zum ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) und rufen zum Generalstreik auf. Also alle: Anhänger von SPD, USPD und KPD. Die KPD-Führung war am Anfang noch gar nicht unbedingt bereit, die sozialdemokratische Regierung zu unterstützen. Heinrich Brandler aus der Parteiführung, der Kumpel von August Thalheimer, hat hinterher erklärt, dass diese Einheitsfront, die sich im Generalstreik gebildet hatte – und es hat nie vorher oder nachher in Deutschland wieder einen solchen Streik gegeben wie den gegen diese reaktionäre Militärdiktatur – diese Einheitsfront wurde nicht von der KPD-Führung erfunden, sondern die arbeitenden Massen haben sie gefunden.
Die Arbeiter hatten noch Gewehre aus dem Krieg, sie hatten auch die militärische Ausbildung und sie haben im Ruhrgebiet, natürlich durch den Generalstreik begünstigt, Teile der Reichswehr und der Freikorps entwaffnet. Man muss sich vorstellen, welche Courage notwendig ist um solche schwerbewaffneten Nazis militärisch einzuhegen. Wir erinnern uns an sehr viele schlimme Dinge aus der deutschen Geschichte, aber an eine Bevölkerung die so stark zusammengehalten hat, dass sie reaktionäre Militärgruppen entwaffnen konnte, daran wird kaum erinnert.
Nach ein paar Tagen hatte die Rote Ruhrarmee das ganze Ruhrgebiet befreit. Schließlich standen schwere Kanonen der Roten Ruhrarmee vor dem Krupp-Denkmal in Essen, ein symbolträchtiges Bild. Der Putschist Kapp war noch in Berlin an der Regierung, allerdings lief da nicht mehr viel, weil die Arbeiterinnen und Arbeiter im ganzen Reich gestreikt haben. Es war jetzt kurz davor, dass sich in Hamburg oder Berlin und anderen Gegenden auch solche Roten Armeen bilden. In dieser Phase ist Kapp zurückgetreten, die sozialdemokratische Regierung kam wieder an die Macht. Sie hat es geschafft, ihre Anhänger zur Abgabe ihrer Waffen zu bewegen. Sie haben die Waffen abgegeben, die Rote Ruhrarmee hat sich gespalten. Das hatte zu Folge, dass die putschenden Freikorps den „roten“ Teil dieser Armee massakrieren durften. Dafür wurde ihnen der Sold erhöht.
Dieser Geschichte hat verschiedene Lernprozesse ausgelöst:
Die SPD-Führung hat daraus gelernt: Wir machen nie wieder einen Generalstreik! Dass die SPD 1933 nicht zum Generalstreik aufgerufen hatte lag an dieser Erfahrung: Wenn wir zum Generalstreik aufrufen haben wir wieder diese Rote Armee am Hals!
Die Kommunisten haben daraus gelernt, wir machen eine Einheitsfront, damit können wir unsere Ziele gut durchsetzen.
Die Bourgeoisie hat gemerkt, nur mit dem Militär geht das gegen diese starke Arbeiterbewegung nicht. Wir brauchen als Gegengewicht zu dieser Massenbewegung eine reaktionäre, eine konterrevolutionäre Massenbewegung: Schlägertrupps, SA usw..
Dann ging die Sache weiter, der letzte Aufstandsversuch war 1923. Darüber könnten wir einen ganzen Abend diskutieren und wir werden wir wahrscheinlich verschiedener Meinungen sein, aber letztlich ist dieser Versuch im Oktober 1923 gescheitert. Die Führung der KPD wurde ausgetauscht durch eine ultralinke Führung. Was man nach den Erfahrungen verstehen kann ist der Hass auf diese rechten Sozialdemokraten wie Noske und Ebert.
Es gab im Laufe der 1920iger Jahre noch verschiedene gute Einheitsfrontaktionen wie „Kinderspeisung statt Panzerkreuzerbau“. Das sind Sachen, die wir vielleicht für die Zukunft gebrauchen können. Eine andere Aktion ging gegen die Fürstenentschädigung. Aber gegen Ende der 1920iger Jahre war es deutlich, dass die Sowjetunion und die Partei der Sowjetunion auf die KPD Einfluss nimmt um einen ultralinken Kurs zu fahren. Das heißt: Sozialfaschismustheorie, der Hauptfeind sind die sozialdemokratischen Arbeiter. Zuerst eigene Gewerkschaftsfraktionen, dann eigene Gewerkschaftsorganisationen (RGO). Thalheimer kritisiert in seiner Faschismusanalyse diesen Kurs natürlich heftig. Einige tausend Leute wurden 1929 aus der Partei ausgeschlossen. Wie das 1933 geendet hat, wissen wir. Die Folgen waren, dass mit roten Gewerkschaftsorganisationen, erkennbar in den Großbetrieben, bei Massenentlassungen zuerst die Kommunisten ‚rausflogen. Als die KPD 1933 zum Generalstreik aufgerufen hat war sie eigentlich eine Partei von Erwerbslosen. Die SPD hat nicht zum Generalstreik aufgerufen. Das war die schlimmste Niederlage, die die Arbeiterbewegung in Deutschland, die wirklich einmal sehr stark war, in ihrer Geschichte erlebt hat. Und ich würde die These wagen, dass wir uns von dieser Niederlage bis heute nicht erholt haben.
Thalheimer schreibt 1929 gegen die drohende Gefahr des Faschismus, als die NSDAP noch eine kleine Splitterorganisation war. Im Unterschied zu dem, was wir eben gehört haben, hat er nach einer historisch ähnlichen Form gesucht. Was konnte er 1929 wissen? Der Faschismus in Italien war schon an der Macht. Er hat eine verwandte Erscheinung gefunden die Marx beschreibt: Die Diktatur von Napoleon III.,dem Neffen von Napoleon I., also den Bonapartismus in Frankreich. Er hat die Schrift von Karls Marx: „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“ zum Ausgangspunkt seiner Analyse genommen. Daraus hat er versucht verschiedene Merkmale des Bonapartismus und des Faschismus zu entwickeln. Marx nennt in seiner Schrift den Bonapartismus auch „Imperialismus“. Er meint damit natürlich nicht den modernen Imperialismus wie Lenin ihn charakterisiert hat. Der Bonapartismus fand im Stadium des Kapitalismus der freien Konkurrenz statt, der Faschismus dagegen im Zeitalter des Monopolkapitals.
Thalheimer sagt, der Faschismus ist eine Diktatur um die soziale Macht der Bourgeoisie zu retten, die durch eine revolutionäre Arbeiterklasse extrem gefährdet ist. Und die faschistische Prügelgarde hilft der Bourgeoisie dabei. Es ist aber auch eine Diktatur über die Bourgeoisie. Zwischen Form und Inhalt gibt es einen dialektischen Widerspruch. Es ist nicht einfach die direkte Diktatur, wie Dimitroff das sagt. Dimitroff sagt auch, es sei die Diktatur der extremsten Teile des Monopol- oder Finanzkapitals, also nicht des gesamten Kapitals, darauf werde ich später noch zurückkommen. Es ist wichtig, dass Dimitroff sagt, es ist die Diktatur nur eines Teils der Monopolbourgeoisie, während Thalheimer wie übrigens auch Clara Zetkin und Trotzki sagen, es ist die gesamte Bourgeoisie, aber es gibt einen Widerspruch zwischen der sozialen Herrschaft und der politischen Herrschaft.
Wenn wir das Beispiel Chile (1973) nehmen, würde Thalheimer sagen, dass in Italien und Deutschland der Faschismus an der Macht war, weil die Bourgeoisie nicht mehr in der Lage war ihre politische Macht im Rahmen der bürgerlichen Demokratie aufrecht zu erhalten, weil sie die Arbeiterorganisationen zerschlagen mussten. Das ist ganz wichtig, weil die Bourgeoisie den Arbeitern hier eine höhere Form der Ausbeutung aufzwingen mussten. Das funktioniert in einer Demokratie nicht, weil die arbeitenden Menschen sich mit ihren Organisationen, ihren Gewerkschaften durch Streiks wehren können. Diese Organisationen müssen erst einmal zerschlagen werden. Dagegen ist bei Diktaturen wie im Polen der 1920iger Jahre die Bourgeoisie so unterentwickelt, dass sie noch nicht in der Lage ist ihre Macht durch demokratische Parteien auszuüben: Das Militär herrscht hier anstelle der Bourgeoisie. Das könnte man für lateinamerikanische Diktaturen der 1920iger Jahre aber auch für die Diktatur Pinochets in Chile ab 1973 ähnlich formulieren, um den Unterschied dieser Militärdiktaturen zu den faschistischen Diktaturen in kapitalistisch fortschrittlich entwickelten Ländern wie Italien oder Deutschland zu beschreiben.
Merkmal des Faschismus ist, dass das Proletariat versucht hat, eine Revolution zu machen, aber zurückgeschlagen wurde. Das war in Italien der Fall, in Deutschland haben wir es gesehen am Beispiel der Roten Armee an Rhein und Ruhr. Das Proletariat ist jetzt entmutigt und desorientiert. Über die katastrophale Politik der SPD müssen wir nicht reden, die hat sich auch nicht geändert, die macht immer die Kriegspolitik der herrschenden Klasse mit. Die SPD war verbündet mit den reaktionären Militärs und Freikorps. Das hat auch die sozialdemokratischen Arbeiter entmutigt.
Die bürgerliche Demokratie ist zur Fessel für die Bourgeoisie geworden, weil sie den Boden abgibt für den organisierten Widerstand der Arbeiterklasse. Man kann aber nicht die demokratischen Rechte der Arbeiter aufheben ohne das man sie für alle Klassen aufhebt. Ich verbiete z.B. die SPD, die KPD, die Gewerkschaften. Aber es gibt noch die NSDAP, die CDU und die FPD, auch Parteien der Monopolbourgeoisie. Dann würden sich die Arbeiterklasse in der FDP organisieren und der Klassenwiderspruch wäre in dieser Form sofort wider da. Die einzige Möglichkeit: ich verbiete außer der faschistischen Partei alles, es funktioniert nur diktatorisch.
Eine weitere Folgerung Thalheimers: Der Faschismus bedarf als Gegengewicht zur Arbeiterbewegung einer konterrevolutionären Massenbewegung. Wie ist diese Massenbewegung zusammengesetzt? Warum schließen sich Menschen diesen Bewegungen an? Analog zu Marx und dem achtzehnten Brumaire beschreibt Thalheimer die Massenbasis als Deklassierte aus allen Klassen. Es ist nicht nur der enteignete Landwirt, ein kleiner Ladenbesitzer der Pleite macht, der Lumpenproletarier, wie das in der harten Sprache von damals hieß, also der prekär Beschäftigte, auch pleite gegangene Leute aus der Oberschicht, Bohemiens.
Deklassierte aus allen Klassen, so dass der Faschismus so tun kann, als würde er über dem Klassengegensatz stehen. Das bringt dann in der Herrschaft des Faschismus wirkliche Probleme, weil der Faschismus den Mietern billigere Mieten verspricht und den Vermietern, die auch zu seiner Basis gehören, höhere Mieten. So etwas ist auf Dauer nicht durchzuhalten und führt zu echten Problemen und Widersprüchen die sich irgendwann nach außen entladen. Wir wissen, wie das geendet hat und der 2. Weltkrieg war im deutschen Faschismus angelegt.
Der Weg zur Macht setzt für den Faschismus nicht das Bewusstsein der Massen voraus, sondern gerade ihre Unbewusstheit. Die Trübung und Verwirrung ihres Klassenbewusstseins. Nicht ihre Aktivität sondern ihre Passivität.
Was tun wir dagegen? Franz Mehring hat geschrieben, die herrschende Klasse hat ein felsenfestes Klassenbewusstsein. Wenn ein Angestellter etwas geerbt hat und denkt, ich gehöre jetzt zur herrschenden Klasse, wird er mit einer ungeheuren Verachtung betrachtet werden. Die Herrschenden haben ein fundamentales Klassenbewusstsein und wissen: der gehört zu uns und der nicht.
Dagegen ist das Klassenbewusstsein der unteren Klassen getrübt und schwankend. Viele Angestellte oder mittlere Beamte haben enorme Illusionen, was ihre Klassenzugehörigkeit angeht. In der Regel würden sie aber ohne ihre Lohnarbeit nicht klarkommen. Sie gehören, wenn auch privilegiert, zur arbeitenden Klasse oder lohnabhängigen Klasse.
Wichtiges Merkmal des Faschismus: Die Exekutivgewalt hat sich verselbstständigt. Sie zerschlägt die organisierte Arbeiterbewegung. Sie hält die Widersprüche innerhalb der Bourgeoisie gewaltsam nieder. Sie verschafft ihren Anhängern Posten im aufgeblähten Exekutivapparat. Pöstchen für diese ganzen deklassierten Kleinbürger.
Der entscheidende Satz: Um ihre soziale Existenz zu retten, unterwirft sich die Bourgeoisie der verselbstständigten Macht der Exekutivgewalt gibt also ihre politische Macht preis.
Wir gehen jetzt zurück in die Geschichte und ich komme zu Alfred Sohn-Rethel. Der hat die Klassenverhältnisse vor dem Januar 1933 analysiert. Er sagt in Übereinstimmung mit Thalheimer: Faschismus entsteht nicht in den gesunden kapitalistischen Ländern, wo die Akkumulation von Kapital noch funktioniert, wo noch Profite realisiert werden können, sondern in den schwächsten Kettengliedern der kapitalistischen Länder, in Italien oder Deutschland (nach dem 1. Weltkrieg). Und in diesen Ländern bei den schwächsten Kapitalgruppen.
Deutschland hatte seine Kolonien als Absatzmärkte verloren, sein Auslandsvermögen komplett verloren, 25 Millionen Goldmark. Bei der Bank von Schanghai hatte das deutsche Kaiserreich z.B. Kapitalreserven und wenn deutsche Firmen wie Siemens in China etwas unternehmen wollten konnten sie dort einen Kredit bekommen. Ohne diese Kapital waren diese Exportunternehmen unglaublich gehandikapt gegenüber ihren englischen, französischen oder amerikanischen Konkurrenten.
Die Reparationsforderungen waren außerdem ein enormer Klotz am Bein. Die deutsche Bourgeoisie befand sich in einer unglaublichen Zwangslage.
Innerhalb der deutschen Bourgeoisie gab es bis Ende 1932 zwei große Gruppen, die Sohn-Rethel unterscheidet. Alles natürlich Monopolkapitalisten. Die führende Gruppe vor dem 1. Weltkrieg waren Kohle und Stahl, enorm wichtig für die Aufrüstung. Diese ehemals führende Gruppe war absolut nicht mehr exportfähig, sie war auf dem Weltmarkt nicht mehr präsent und im Grunde bankrott. Sie haben sich in der Harzburger Front mit den Nazis zusammengeschlossen. Ihr ökonomischer Ausweg, weil sie nicht mehr exportieren konnten, war Kriegsvorbereitung und Autarkie: Andere Länder erobern und die Kosten aus der Kriegsbeute eintreiben.
Trotz der Schwierigkeiten gab es noch halbwegs intakte Teile des Kapitals: Bei den IG-Farben waren das z.B. die Benzin-Synthese oder Agfa-Foto. Als herausragendes Beispiel für diese Kapitalgruppe nimmt Sohn-Rethel den Siemens-Konzern. Siemens hatte eine herausragend ausgebildete Facharbeiterschaft, verfügte über Spitzentechnologie und war preiswürdig, also nicht billig aber von hoher Qualität. Trotz der Schwierigkeiten konnte Siemens noch internationale Aufträge bekommen. Deren Basis war sozialdemokratisch, die hatte mit dem Faschismus überhaupt nichts am Hut, selbst die Führung war bis zum Schluss gegen den Autarkiekurs. Wenn ich mich vom Weltmarkt abkoppeln soll, kann ich auch nichts mehr exportieren. Dann ist ein Rüstungsgeschäft ein Trostpflaster aber nichts, was den Siemens-Konzern ausgemacht hat. Diese Kapitalfraktion gehörte zum Brüning-Lager. Diese Brüning-Lager hat bis zum Schluss versucht mit Notverordnungen auf der Basis der Weimarer Verfassung weiterzuarbeiten. Mit der verschärften Krise wurde das problematisch, die Arbeitslosigkeit wuchs, ein Ende, die Bildung eines Krisenbodens, war nicht absehbar.
Was dazu kam, klingt überraschend, wird von Sohn-Rethel stark betont: Den Nazis wurde von den Kapitalisten die Macht nicht in die Hand gedrückt, weil die NSDAP immer stärker wurde, sondern weil sie im November 1932 über eine Million Wähler verloren hatte. Jetzt habe ich deklassierte, von der Krise auf’s Pflaster geschmissene Menschen, die ökonomisch überhaupt nicht mehr klarkommen. Illusionen. Die Illusion, die die Faschisten anbieten: Du bist arbeitslos, ungebildet, sonstwas, aber du bist weiß! Da ist jemand unter dir! „Weiße Überlegenheit“ ist kein Alleinstellungsmerkmal der Nazis,das haben auch rechte Sozialdemokraten und alle Arten von Imperialisten drauf. Natürlich bieten die faschistischen Organisationen auch etwas an, sie haben Geld. Die Unterscheidung zwischen bürgerlichen Demokratie und Faschismus ist völlig klar: Im Faschismus wären wir im Knast, da würden wir hier nicht sitzen. Ich finde es schrecklich, wenn alles mögliche „faschistisch“ genannt wird, das empfinde ich als eine Verharmlosung von dem, was zwischen 1933 und 1945 in Deutschland passiert ist.
Um das zu bekämpfen müssen wir Klassenbewusstsein schaffen und offensiv für die Gesamtinteressen der arbeitenden und lohnabhängigen Menschen kämpfen, sowohl der gut bezahlten als auch der prekär Beschäftigten. Der ultralinke Kurs (der KPD) hatte sich nur um die prekär Beschäftigten gekümmert, die SPD kümmert sich nur um die gut bezahlten. Die Aufgabe von Kommunisten ist es sich um die Gesamtinteressen der arbeitenden Bevölkerung zu kümmern.
Termine für den Zeitraum Oktober 2025 bis Februar 2026

Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. in Tübingen hat eine Handlungshilfe für Betriebsräte und gewerkschaftliche Vertrauensleute veröffentlicht:

Arbeitsplätze in der Rüstungsin-dustrie sind unsicherer als in vielen anderen Branchen. Die Nachfrage ist von politischen Entscheidungen abhängig – internationale Entspannung kann zu einem Rückgang der Nachfrage und zu Arbeitsplatzverlusten führen. Viele Angestellte wollen, dass ihr Beruf auch privat hohes Ansehen hat; was schwer möglich ist bei einer Branche, die davon lebt, dass kein Frieden herrscht.
„Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon. Er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen. Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und die leidige Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich scheint mir der Krieg …“.
Kriegsmüde – das ist das dümmste von allen Worten, die die Zeit hat. Kriegsmüde sein das heißt, müde sein des Mordes, müde des Raubes, müde der Dummheit, müde des Hungers, müde der Krankheit, müde des Schmutzes, müde des Chaos… Kriegsmüde hat man immer zu sein, d.h. nicht nachdem, sondern ehe man einen Krieg begonnen hat. Aus Kriegsmüdigkeit werde der Krieg nicht beendet, sondern unterlassen…
Karl Kraus, 1918
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