„Wir sind noch nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden“: Eine von Kommunikationsexperten erdachte Floskel, die heute aus allen Lautsprechern und Medienbeiträgen tönt. Ein weiteres seit Jahren verwendetes Zauberwort ist das der „Hybriden Bedrohungslagen“. Beide Begriffe sind Propagandafloskeln, die langfristig die Akzeptanz in der Bevölkerung für militärisches Handeln im Inneren erhöhen soll.
Über die allgemeine propagandistische Wirkung hinaus vernebeln diese Floskeln jedoch, dass die Vermischung von militärischem und zivilem Leben, von „Krieg“ und „Frieden“ institutionelle und (verfassungs-)rechtliche Folgen hat. Das betrifft zwei Punkte:
1.
Es geht nicht mehr allein um einen Kriegsfall im Rahmen der NATO Da Deutschland mittlerweile ausschließlich von befreundeten Staaten umgeben ist, ist der „Verteidigungsfall“ heute ausschließlich als „Bündnisfall“ vorstellbar. Bei den militärischen Bündnissen steht bis heute die NATO in der Prioritätenlisten ganz oben. Parallel werden aber die militärischen Strukturen der EU ausgebaut und mit wechselseitigen Beistandsklauseln versehen. Das zieht Konsequenzen nach sich: „Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung“ (Art. 42 Abs. 7 EU-Vertrag) i Durch diesen Vertrag waren bis vor kurzem nach außen hin neutrale Staaten wie Finnland und Schweden in die westlichen Militärbündnisse eingebunden. Ihr offizieller Beitritt zur NATO im Jahre 2024 hat faktisch nicht viel geändert. Darüber hinaus gibt es noch Verpflichtungen zur logistischen Unterstützung abseits gemeinsamer militärischer Kriegsführung unter bspw. einem NATO- Oberkommando. In den sog. „Host Nation Support“ – Verträgen wird eine logistische Unterstützung des Aufenthaltes fremder Soldaten auf dem eigenen Territorium zugesagt, d.h. die Gestattung des Aufenthalts von Soldaten des Vertragspartners auf dem eigenen Territorium inklusive deren Unterstützung, z.B. durch Bereitstellen von Quartieren, Verpflegung, Medizin. Dieser Aufenthalt fremder Soldaten kann durch einen Krieg bedingt, aber auch zivil begründet sein, etwa im Rahmen der Katastrophenhilfe.
Dieses Konstrukt ermöglicht eine Beteiligung an Kriegen, ohne offiziell Kriegspartei zu sein: Stellen wir uns nur einen Krieg einzelner Staaten wie Frankreich gegen Russland vor, der aus einer Entsendung französischer Soldaten in die Ukraine hätte folgen können: Ein NATO- Bündnisfall müsste nicht zwangsläufig ausgerufen werden, da Macron eigenmächtig vorgeprescht wäre. Aber Deutschland wäre erklärtermaßen Logistikdrehscheibe für französische Soldaten. Die Blaupause für solch einen nicht offiziell erklärten Krieg ist der jetzige gegen Russland, mit einer umfassenden gemeinsamen Militärplanung, militärischer Ausbildung, Überlassung von Geheimdienstinformationen, Waffenlieferungen, medizinischer Versorgung von Soldaten u.v.m. 2.Der Modus eines Kriegsfalles wird generalisiert: Die Abwehr jedweder Gefahr wird zur militärischen Aufgabe Die wechselnden Regierungen der letzten Jahre tun erstens so, als würden „Katastrophen“ vom Himmel fallen. Zweitens nehmen sie bei der Verwaltung der „Katastrophen“ eine Priorisierung vor, die das Funktionieren der sog. Kritischen Infrastruktur und der Regierungsfähigkeit (also Erhaltung der Macht) als oberste Maxime setzen. Die beanspruchte Hoheit der Bundeswehr auch für zivile Notlagen findet sich in allen verteidigungs- und sicherheitspolitischen Grundlagenpapieren der wechselnden Bundesregierungen als Umsetzung der entsprechenden NATO- Doktrin. Unter dem Schlagwort der „zivile Resilienz“ postuliert das Bündnis die Verpflichtung der Mitglieder, alle erdenklichen gesellschaftlichen Störungen als militärpolitisch relevant zu betrachten und entsprechend militärisch zu behandeln. Zur Herleitung führt die NATO aus: 1 a. Die „Bedrohungslage“ ist diffuser als in den 70er Jahren, das ganze System droht, aus dem Gleichgewicht zu geraten; „hybride Bedrohungen“ ist das Stichwort: Krankheiten, Stromversorgung, Versorgungssicherheit, Migration, Klimaänderungen, Legitimationsverlust und gleichzeitig eine Bedrohung durcha.
Die „Bedrohungslage“ ist diffuser als in den 70er Jahren, das ganze System droht, aus dem Gleichgewicht zu geraten; „hybride Bedrohungen“ ist das Stichwort: Krankheiten, Stromversorgung, Versorgungssicherheit, Migration, Klimaänderungen, Legitimationsverlust und gleichzeitig eine Bedrohung durch fremde staatliche Mächte, aber auch durch feindliche innere Gruppen, Organisierter Kriminalität u.v.m. Nur am Rande die Anmerkung, dass in den deutschen sicherheitspolitischen Formulierungen dieser NATO- Doktrin Sichtweise, die in der deutschen Innenpolitik Rechten zugeschrieben wird, seit 2015 selbst vertreten wird: Migration werde „als Waffe“ eingesetzt, von Staaten wie der Türkei oder Weißrussland. ii b. Früher hat der Staat auch in allen westlichen Staaten wesentliche Teile der Infrastruktur direkt kontrolliert. Heute hat er keine unmittelbare, verwaltungstechnische Kontrolle mehr über die sog. Kritische Infrastruktur, da seit den 80er und verschärft seit den 90ern diese Infrastruktur privatisiert worden ist. Selbst das Militär ist in seiner Logistik fast vollständig auf private Dienstleister angewiesen.
Wenn man das Gewaltmonopol als Kern des Staates betrachtet, stellt ein drohender Kontrollverlust in diesem Bereich die Existenz des Staates in Frage. iii Die Krise dieses Gesellschaftssystems ist in den letzten Jahren nicht mehr zu übersehen, auch wenn sie in Deutschland kaum durch offene Revolten begleitet wird: Die Gesellschaft bricht sozial und politisch auseinander; menschliche Fähigkeiten und Arbeitsqualifikationen verfallen, die Gesundheit der arbeitenden Massen degeneriert, die Gesellschaft verliert auch als Arbeitsgesellschaft ihren inneren Zusammenhang, was materiell in einer verfallenden Infrastruktur sichtbar ist. Der jüngste Aufmarsch der USA gegen Venezuela zeigt sehr deutlich, dass versucht wird, diese gesellschaftliche Implosion nach außen zu richten; an der Opioidkrise in den USA mit hunderttausenden Toten hat in der Erzählung der Regierung natürlich nichts damit zu tun, dass arbeitende Menschen vielfach keine Lohnfortzahlung mehr bekommen und nur rudimentär versichert sind, so dass sie sich keine Behandlung von Krankheiten mehr leisten und stattdessen zu Schmerzmitteln greifen müssen. Nein, sie sagt, es sei der Feind von außen, der das amerikanische Volk im Griff halte…
Die innenpolitische Brisanz leitet sich daraus her, dass die Mehrzahl der Drogentoten mittlerweile mehrheitlich unter denjenigen zu finden sind, die dort als „Mittelschicht“ bezeichnet werden: arbeitende Menschen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Neoliberalismus, Katastrophen und drohendem Kollaps des Gesellschaftssystems. Die Herrschenden könnten versuchen, umzusteuern, etwa durch eine Wiederverstaatlichung und eine Stärkung der staatlichen Aufgaben gegen den privatwirtschaftlichen Markt. Aber das ist nicht gewollt. Um das herrschende Gesellschaftsmodell aufrecht zu halten, fordert die NATO, den (gewollten) neuen privaten Herrschaftsstrukturen Rechnung zu tragen, sie in das Krisenmanagement einzubinden und die privaten Dienstleister und ihre zivilgesellschaftlichen Verwalter (bspw. DRK etc.) mit hoheitsrechtlichen Befugnissen auszustatten. Das geschieht dadurch, dass in heutigen Krisenstäben Großunternehmen, staatliche Verwaltungen, Institutionen und zivilgesellschaftliche Institutionen, wie etwa Gewerkschaften oder Sozialverbände sitzen und Entscheidungen treffen, die letztlich mit der bewaffneten Autorität der Armee durchgesetzt werden.
2.
Rechtlich gibt es in Deutschland ein Sammelsurium von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien, Operationsplänen zum Notstand. Ihren Charakter als Notstandsgesetze macht aus, dass sie mit einer unbestimmten „Ermächtigung“ der Verwaltungen arbeiten, ad hoc „notwendige Entscheidungen“ zu treffen und dass sie grundsätzlich die Aufhebung von Grundrechten vorsehen. Institutionell arbeiten sie mit dem Instrument der eben erwähnten Krisenstäbe anstatt auf eine wie auch immer institutionell und demokratisch beeinflussbare Verwaltungen und Gesetzgebungsinstanzen zu setzen. Reichen die vorhandenen Gesetze und Verordnungen nicht? Im letzten Jahr wurde das „Grünbuch ZMZ 4.0“ iv oft erwähnt; es wird von einem privaten Verein, geleitet vom ehemaligen Chef des THW, herausgegeben, der sich zur Aufgabe gesetzt hat, in den Institutionen und Verbänden eine neue „Sicherheitspolitik“ durchzusetzen. Im Grünbuch wird von einer „Rechtslücke zur Regelung Hybrider Bedrohungslagen“ geschrieben. Mögliche Handlungsoptionen seien a) Eine Verfassungsänderung. Die wird aber als kaum durchzusetzen verworfen. b) ein Agieren innerhalb der geltenden Rechtslage. Dafür wird empfohlen, die Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass sie im Recht handelten, wenn sie den Notstand durchsetzen und die Auslegung der verschiedenen Gesetze ausreizen. Zusätzlich solle ein Rechtsgutachten diesem Vorgehen Legitimität verleihen. c) ein einfaches Gesetz, dass „Lücken“ schließe und das bei den bestehenden politischen Mehrheiten zügig zu verwirklichen sei. Das Grünbuch ist in dem Sinne keine staatliche Publikation – es hat die Zielsetzung, die Menschen in den Verwaltungen davon zu überzeugen, dass die Anwendung von Notstandsmaßnahmen schon richtig und legitim sei, auch wenn Einzelne rechtliche Zweifel haben sollten. Unter den klassischen Notstandsgesetzen der 60er Jahren gibt es die, die sich an die Unternehmen richten; die „Sicherstellungsgesetze“ zur Sicherstellung der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Verkehrsdienstleistungen, Wasser, Energie etc. – all das, was heute als „Kritische Infrastruktur“ bezeichnet wird.
Sie verpflichten die Unternehmen, schon im Vorfeld einer Krise präventiv alle relevanten betrieblichen Daten der Behörde mitzuteilen, also etwa: Räumliche Ausstattung, Produktionsanlagen, Vorräte an Betriebsmitteln, Personalbestand jetzt und für einen Notbetrieb u.v.m. Einige Sicherstellungsgesetze sind an den Verteidigungsfall gebunden, andere nicht.
Das Ernährungssicherstellungsgesetz bspw. wie auch das Verkehrsleistungsgesetz kann auch bei einer allgemeinen Versorgungskrise in Kraft gesetzt werden. Es gibt aber auch in anderen Gesetzen Notstandsvorbehalte. Ein Bsp. aus jüngster Zeit (nach dem Einsatz des Infektionsschutzgesetzes): Die im Herbst 2022 von der Bundesnetzagentur erklärte „Gasmangellage“ basiert auf dem Energiesicherungsgesetz. Die Energiepolitik wird bis heute von einem nicht rechenschaftspflichtigen Krisenstab bestimmt, der weitreichende Vollmachten hat. Die Brisanz wird für uns im Alltag vielleicht noch nicht so sichtbar, da der Krisenstab auf einer Ebene agiert, die nicht unsere ist: etwa die Zwangsverwaltung von Rosneft Deutschland und ihrer großen Raffinerie in Schwedt, Mechanismen der finanziellen Preisfindung, Aushebelung von Umweltgesetzgebung bspw. beim Immissionsschutz und dergleichen. Bei einer Verschärfung des Gasmangels kann die Energiesicherung aber auch die Steuerung des Verbrauches beinhalten – etwa Kürzung der privaten Heizung zugunsten strategisch wichtiger Rüstungsbetriebe. Allgemein wird bei den Sicherstellungsgesetzen die Arbeit nur indirekt erwähnt, etwa wenn Verkehrsunternehmen aufgefordert werden, im Krisenfall ihr Personal durch eine Aufhebung von geregelten Lenkzeiten oder Urlaubssperren möglichst produktiv einzusetzen – solche Arbeitnehmerrechte gelten im Krisenfall nicht mehr. Das Dachgesetz zum Schutz der Kritischen Infrastruktur, das im Sommer verabschiedet worden ist, betrifft formal auch nur die großen Betreiber, deren Einrichtung mehr als 500 000 Menschen versorgen. Aber die sind auch zergliedert und arbeiten mit einer Vielzahl externer Zulieferer und Dienstleister zusammen. Im Normalfall versuchen sie, diese durch Verträge, Zertifizierungen etc. zu kontrollieren und konditionieren (Bsp. 24/7- Werkverträge). Wenn das nicht mehr reicht, wird der direkte Zugriff auf die Arbeitskraft durch das Arbeitssicherstellungsgesetzv ermöglicht. Die konkrete Umsetzung ist jetzt das erste mal überhaupt beim kürzlichen Bundeswehrmanöver Red Storm Bravo in Hamburg geübt worden. Das ASG ermöglicht im Krisenfall die Zwangsverpflichtung bei staatlichen Institutionen, aber auch in der Privatwirtschaft. Den Hut bei der Verpflichtung von Lohnabhängigen hat die Agentur für Arbeit auf. Schon im Vorfeld bildet die Arbeitsagentur einen Arbeitskräfteausschuss zur Koordination und ggf. Schlichtung von gegenläufigen Interessen. In dem vierköpfigen Gremium sitzen Vertreter des Landes (in diesem Fall Hamburg), der Bundeswehr und je ein vom Verwaltungsausschuss (der entspricht einem Aufsichtsrat der Agentur) benannter Vertreter der Arbeitnehmer (aus den DGB- Gewerkschaften) und der Unternehmen. Beratend werden Unternehmens- und Arbeitnehmervertreter derjenigen Unternehmen hinzugezogen, die in den Genuss zwangsverpflichteter Arbeitskräfte kommen sollen. Wenn es denn soweit und der Krisenfall ausgerufen worden ist, koordiniert der Arbeitskräfteausschuss die „Sicherstellung von Arbeitsleistungen“. Als erste Maßnahme gilt, dass niemand mehr ohne Zustimmung der Agentur für Arbeit seinen Arbeitsvertrag kündigen kann. Das gilt für alle Arbeitsverhältnisse und für alle Lohnabhängigen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft. Die zweite Maßnahme ist die Verpflichtung von Wehrpflichtigen zur Arbeit. Wehrpflichtig ist nach dem Grundgesetz Artikel 12 jeder männliche deutsche Staatsangehörige ab dem 18. Lebensjahr – auch nach Ableisten von Wehr- oder Ersatzdienst. 2011 ist nur die Musterung und die Einberufung zum Grundwehrdienst ausgesetzt worden; relevant für die Aktivierung der Wehrpflicht als Arbeitspflicht ist der Neuaufbau der Meldesysteme, der verpflichtenden Musterung und der Fragebögen zur beruflichen Qualifikation. Damit werden Daten über den Gesundheits- und Ausbildungsstand erfasst und mit den Daten der Bundesagentur für Arbeit zusammengeführt (seit November 2024 gibt es auch eine offizielle Kooperation zwischen der BA und dem Personalmanagement der BW). Die dritte Maßnahme ist die Dienstverpflichtung von Frauen in staatlichen und privaten Gesundheitseinrichtungen. (§2)
Die Bedingungen, zu denen man zwangsverpflichtet wird, sind nicht verhandelbar: Es gilt eine vage Vorschrift, dass sich Lohn und Arbeitsbedingungen an vergleichbaren Entlohnungen dieser Tätigkeit orientieren solle. (§14) Für die Zwangsverpflichtung von nicht Wehrpflichtigen werden aktuell weitere Ideen öffentlich diskutiert: Ein verpflichtendes Soziales Jahr für junge Menschen und ein verpflichtendes Soziales Jahr für Rentner und und und ... Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt! Aber auch an denen, die nicht wehrpflichtig sind, fährt der Zug nicht vorbei: Eine Verweigerung von gefährlichen Arbeiten, wie es jetzt aus Gründen des Arbeitsschutzes möglich ist, ist nicht mehr zulässig. (§31) Wenn die Weigerung, bestimmte Arbeiten zu verrichten, das Ziel des Gesetzes gefährdet, steht sogar eine Gefängnisstrafe auf dem Programm. (§32) Der ein oder andere mag sich denken, dass es doch egal sei, ob man nun Brötchen für Passanten in der Fußgängerzone oder für die Armee schmiert. Oder, dass er keinen deutschen Pass hat und ihn das also nicht betrifft. Doch was ist, wenn der Unternehmer Zuschläge kürzt oder die Arbeitszeit verlängert? Das Arbeitszeitgesetz kann in Krisenzeiten ausgesetzt werden – wie in der Corona-Zeit für medizinisches Personal geschehen. Kündigen geht nicht, die Arbeit verweigern auch nicht. Und nu’ ?? Dann gilt: Je näher man Militär dran ist, desto mehr unterliegt man auch der Überwachung durch die Nachrichtendienste, die immer enger mit großen Unternehmen 4 zusammenarbeiten. vi Und das gilt nicht nur für Zulieferer der großen Rüstungsfirmen, sondern auch im Dienstleistungsbereich: Putin könnte auf die Idee kommen, die Brötchen für die Bundeswehr versauen zu lassen – russischer Wegwerf- Agent! Sabotage! Feindbegünstigung! Es sollte niemand lachen: In Schweden ist kürzlich der Hafenarbeiter Erik Helgeson entlassen worden, weil er angeblich die schwedische Sicherheit gefährdet hat, indem er als Gewerkschaftsvertreter zum Boykott von Waffentransporten sowohl von als auch nach Israel aufgerufen hat. Es ging um keinen arbeitsrechtlich relevanten Vorwurf: Die betreffende Blockade war symbolisch, angekündigt und gerichtlich genehmigt. Aber es wurde gegen ihn den Vorwurf erhoben, dass er durch seine öffentlichen Aufrufe die Zuliefer- und Logistikstrukturen gerade auch hinsichtlich des Importes israelischer Waffensysteme offenlegen würde und dies die schwedische nationale Sicherheit gefährde. In Deutschland sucht das Bundesamt für Verfassungsschutz aktiv die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die über die Gefahren von Extremismus, Sabotage und Spionage „informiert“ und aufgerufen werden, sich direkt an den Verfassungsschutz zu wenden. Es ist also nicht nur der Öffentliche Dienst, der eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz macht…
So, wie die individuelle Arbeitsverweigerung untersagt ist, ist es natürlich auch die kollektive; ein Streikrecht existiert in diesem Szenario nicht mehr. So weit weg ist das alles nicht: In den letzten Jahren wurden in England Militärs zum Streikbruch als LKW- Fahrer eingesetzt und in Frankreich Angestellte von Raffinerien zur Arbeit zwangsvorgeführt. Soweit die Skizze der juristischen Möglichkeiten, die das ASG bietet; es gibt einen Rahmen vor, dessen Möglichkeiten abgestuft genutzt werden können. Es wird wahrscheinlich nicht so ablaufen, dass an einem „Tag X“ die „Karte ASG“ gezogen wird und dann alle Arbeiter mit Polizei / Feldjägern zur Arbeit vorgeführt werden. Tatsächlich sieht auch die Ausführungsverordnung zum ASG vor, zuerst nach geeigneten Arbeitslosen im Bereich des jeweiligen Arbeitsamtes zu suchen, dann im Nachbarbereich, dann bei nicht „systemrelevanten“ Friseuren, die einen LKW- Führerschein haben usw. Die Bundeswehr spricht von einem „Kontinuum Frieden – Krise – Krieg“vii, in dem wir uns bewegten. Die Mobilmachung der Arbeit erfolgt auf mehreren Ebenen: Auf der mentalen Ebene, auf der die Verwaltungen, die „funktionale Mittelschicht“ als Träger der Herrschaft darauf eingestimmt wird, dass die Gesellschaft von außen bedroht wird und die Ausübung von Zwang nach unten neue – legitime - Normalität sei. Das geschieht durch die Medien, durch einen neuen Alltag, in dem Manöver und die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr selbstverständlich sind. Carsten Breuer, der neue Generalinspekteur der Bundeswehr hat mal in einem Interview über seine Erfahrungen als Leiter des Corona- Krisenstabes gesagt, dass ein wesentlicher (aus seiner Perspektive) positiver Effekt war, dass „man“ sich kennengelernt habe: Bundeswehr und zivile Verwaltungen mit ihren unterschiedlichen Mentalitäten. Man habe in großem Maßstabe zusammengearbeitet und gelernt, miteinander umzugehen.viii Zur Legitimität des Zwanges gehört auch die Erzeugung von Angst. Es werden Feindbilder verbreitet; existenzielle Feinde, zu deren Bekämpfung grundsätzlich alles erlaubt ist. Wer das Spiel nicht mitspielt, muss mit Konsequenzen rechnen. Es werden innerbetriebliche Meldesysteme (Denunziationssysteme) gefordert und aufgebaut und der Verfassungsschutz ins Spiel gebracht. Individuelle Angst und Misstrauen – auch das soll Kollektivität auf der Arbeit zersetzen. Das spürt man beim Schweigen über den Notstand oder auch beim Schweigen über die Rüstungsproduktion und Kriegslogistik (wer weiß heute schon, welche Firmen Rheinmetall und Co. oder der Bundeswehr zuarbeiten? Es spricht niemand drüber…). 5 Dann gibt es bei der Mobilmachung der Arbeit die institutionelle Ebene: Die Entscheidungsgewalt wird in „Krisensituationen“ an „Krisenstäbe“ weitergegeben und denen Vollmacht gegeben. Eingebunden sind eben auch z.B. Sozialverbände und Gewerkschaftsapparate. Diese „funktionale Mittelschicht“ spielt das Spiel bislang mit. Bei den einen spielt auch der finanzielle Druck in einer neoliberalen Gesellschaft mit, in der es keine verlässlichen und dauerhaften Strukturen gibt, sondern temporäre Projektfinanzierung – bei Widerworten droht mindestens Geldentzug. Dass die großen Sozialverbände so widerspruchslos das Lied der Kriegsertüchtigung mitsingen, dürfte wohl daran liegen.
Bei den anderen…?
Im schlimmeren Fall wird oft genug die herrschende Notstandserzählung übernommen: Terrorismus und Islamisten sind existenzielle Gefahren, eine Epidemie und deren Leugner, Russland und dessen Parteigänger usw. Im besseren Falle wird versucht, durch freiwilliges Mitgehen „Schlimmeres zu verhindern“: Der Einsatz von Militär bei Streiks wird hier vermieden, indem Gewerkschaften auch heute schon bei Streiks zusichern, per Notdienstvereinbarung Militärtransporte etc. weiterhin abwickeln zu lassen. Als Ersatz für kollektives und politisches Handeln wird (auch das im besten Fall) das individuelle Verweigerungsrecht aus Gewissensgründen unterstützt – solange das den gesamten Ablauf nicht behindert. Zum Abschluss der Hinweis auf die aktuelle Präsentation der Führungsakademie der Bundeswehr mit dem Titel: „Gesamtverteidigung Deutschland. Ein gemeinsamer Auftrag für unsere Gesellschaft“ix. Sie zeigt die Ergebnisse einer in zwei Jahren erstellten Studie – eine Vision, wie sich die Führung der Bundeswehr eine „resiliente“ Gesellschaft vorstellt. Sie reicht von einer Totalerfassung aller Daten auch und gerade arbeitender Menschen über die Verarbeitung dieser Daten (ohne Künstliche Intelligenz geht heute natürlich nichts mehr) bis zur graphischen Darstellung in „Echtzeit“- Lagebildern, die den Krisenstäben das „Durchregieren“ ermöglichen. Solche Pamphlete, wie auch das „Grünbuch“ u.a. Strategiepapiere, sind die Formulierung politischer Strategien und keine – schon gar nicht geheimen - Verschwörungsstrategien. Es liegt alles auf dem Tisch; es liegt an uns, dagegen eine Widerstandsstrategie zu entwickeln!
Laien`s Club Hamburg-Heimfeld, November 2025
Termine für den Zeitraum November 2025 bis März 2026
November 2025
Beendet
Baha und die wilden 70er" - Musical.
70er Jahre: hunderttausende Gastarbeiter arbeiten für Niedriglöhne, bis ein wilder Türkenstreik die Republik erschüttert
Beendet
Wollen wir Teil der Kriegsmaschinerie sein?
Hauke Jentsch
Dezember 2025
Am 5.12 soll ein bundesweiter Schulstreik gegen das in dieser Woche im Bundestag diskutierte „Gesetz zur Wehrdienstmodernisierung“ stattfinden.

Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. in Tübingen hat eine Handlungshilfe für Betriebsräte und gewerkschaftliche Vertrauensleute veröffentlicht:

Arbeitsplätze in der Rüstungsin-dustrie sind unsicherer als in vielen anderen Branchen. Die Nachfrage ist von politischen Entscheidungen abhängig – internationale Entspannung kann zu einem Rückgang der Nachfrage und zu Arbeitsplatzverlusten führen. Viele Angestellte wollen, dass ihr Beruf auch privat hohes Ansehen hat; was schwer möglich ist bei einer Branche, die davon lebt, dass kein Frieden herrscht.
„Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon. Er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen. Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und die leidige Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich scheint mir der Krieg …“.
Kriegsmüde – das ist das dümmste von allen Worten, die die Zeit hat. Kriegsmüde sein das heißt, müde sein des Mordes, müde des Raubes, müde der Dummheit, müde des Hungers, müde der Krankheit, müde des Schmutzes, müde des Chaos… Kriegsmüde hat man immer zu sein, d.h. nicht nachdem, sondern ehe man einen Krieg begonnen hat. Aus Kriegsmüdigkeit werde der Krieg nicht beendet, sondern unterlassen…
Karl Kraus, 1918
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