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Die Kolonialherren in Kopenhagen
21.12.2009 | 12:40 Uhr

Die Kolonialherren in KopenhagenDer französische Schriftsteller Régis Debray schreibt: «Sie haben den Tropenhelm abgelegt, aber darunter bleibt ihr Kopf kolonialistisch. » Debray hat recht: Mentalstrukturen ändern sich viel langsamer als materielle Situationen.

KLIMAKILLER. Kevin Conrad, ein untersetzter, energischer Mann mit kupferner Hautfarbe, ist der Delegierte von Papua-Neuguinea bei der Klimakonferenz in Kopenhagen. Er ist der Sprecher der «Gruppe der 77». Das ist jene Staatengruppe, welche die 77 fortschrittlichsten Entwicklungsländer vertritt. Bereits am zweiten Tag der Konferenz drohte er damit, den Konferenzsaal zu verlassen. «So kann man mit uns nicht reden», sagte Conrad. «Wir ertragen diesen Kolonialherrenton nicht.» Uno-Experten schätzen den jährlichen Ausstoss von Treibhausgasen auf etwa 30 Milliarden Tonnen. Davon stossen allein die USA zwischen 6 und 7 Milliarden Tonnen aus. Die 27 Staaten der EU fast ebenso viel. Nach Weltbankstatistik wurden letztes Jahr 25 Prozent aller Industriegüter von US-Unternehmen produziert. Der Schmierstoff für diese unglaubliche Produktionsmaschine ist das Erdöl. Die USA verbrauchen täglich 20 Millionen Barrel (3,2 Milliarden Liter). Und sie weigern sich, ihren Konsum zu senken. Im Gegenteil: Mit Milliarden Subventionen hilft die Obama-Administration, die Automobilkonzerne zu retten und den Verkauf von Personenwagen massiv zu erhöhen.
Gleichzeitig verlangt sie eine drastische Senkung der Luftverschmutzung durch die mit Kohle betriebenen Kraftwerke. In Indien und China werden 80 Prozent der thermischen (Heizung) und industriellen (Elektrizität) Energie durch Kohle hergestellt. Ein Verbot von Kohleverbrennung verursachte in den betroffenen Ländern einen sofortigen Produktivitätseinbruch.

MISSACHTUNG. Eine Klimaerwärmung von 2 Grad Celsius lässt den Meeresspiegel um drei Meter steigen. Das Packeis der Pole würde ungeheure Wassermengen freisetzen. Mehrere pazifische Inselstaaten bildeten zusammen mit den Malediven in Kopenhagen eine äusserst aktive Gruppe. Denn ihnen droht bei einem Anstieg des Meeresspiegels die Überflutung. Doch der Westen beachtete sie kaum. Die Sahara schreitet pro Jahr etwa fünf Kilometer nach Süden vor. Die Sahel-Staaten fordern von den westlichen Industrienationen die lange schon zugesagte Finanzierung einer «Grünen Mauer»: eines 15 Meter breiten Waldstreifens aus Eukalyptusbäumen, der von der Atlantikküste bis in den Sudan reichen und die Bodenerosion aufhalten soll. Doch in Kopenhagen wurde die Finanzierung verweigert. Fazit: Die Weltkonferenz für Klimaschutz in Kopenhagen war nicht einfach ein banaler diplomatischer Misserfolg. Sie hat das Unverständnis zwischen den westlichen Industriestaaten und den Völkern des Südens vergrössert und die materielle Kluft vertieft.


Jean Ziegler ist Soziologe, Mitglied des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates, alt SP-Nationalrat und Autor. Soeben erschien sein neues Buch «Der Hass auf den Westen. Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren.»




 
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