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Wenn die neuen Götter zürnen
14.03.2010 | 16:38 Uhr

...ist die Strafe hart. Die Finanzkrise ist inzwischen dabei, ganze Gesellschaften zu zerstören und Generationen die Zukunft zu rauben

In der griechischen Götterwelt musste man zu den mächtigen Titanen gehören, um so über die Stränge schlagen zu dürfen, wie einige Medien, Hinterbänkler aus der schwarz-gelben Koalition oder Stammtischbrüder den zeitgenössischen Griechen unterstellen. Sie haben in Saus und Braus gelebt und also viel mehr konsumiert als sie produzieren. Das dürfen heute nur die Titanen der Neuzeit – die USA zum Beispiel, die sich klaffende Löcher im Haushalt und in der Leistungsbilanz erlauben. In der griechischen Mythologie verloren die Götter die Geduld, wenn es die Menschen zu weit trieben und stürzten sie in die finsteren Abgründe des Tartaros.

Die heutigen Götter sind die globalen Finanzmärkte, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB). Der Tartaros des Euroraums, das ist die Sparpolitik, zu der die Menschen in hochverschuldeten Ländern wie Island, den baltischen Staaten, Portugal und nun auch Griechenland verdammt werden.

Auch die Götter unserer Tage zürnen, und die Strafe ist hart. Für einen Fünf-Milliarden-Euro-Kredit, den die Regierung in Athen gerade aufgenommen hat, müssen die Griechen drei Prozent höhere Zinsen als etwa die Deutschen zahlen, das sind pro Jahr rund 150 Millionen Euro, die das Elf-Millionen-Volk zusätzlich berappen muss. Die sollen das größere Risiko der Banken kompensieren, das man mit Griechenland-Anleihen derzeit eingeht. Doch das ist nicht die Wahrheit, denn die Banken können sich bei der Europäischen Zentralbank für wenig mehr als ein Prozent Zinsen refinanzieren, um dann mit griechischen Staatsanleihen sechs Prozent zu verdienen – ein schöner Zugewinn für die Geldhäuser. Und die Aktionäre sind dankbar für die Rendite, die Griechenlands Regierung aus ihren Bürgern erst noch herauspressen muss.

Sparen, dass es quietscht

Nicht sehr begeistert sind dagegen die Griechen. Das Haushaltsdefizit soll in nur einem Jahr von 12,7 des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf 8,7 Prozent gesenkt werden. Dafür wird die Mehrwertsteuer auf 21 Prozent erhöht, werden Gehälter und Stellen im öffentlichen Dienst schmerzhaft gekürzt, Infrastruktur- und Sozialausgaben gestrichen, wird der Benzinpreis erhöht.

Mitten in einer Rezession ist das alles nicht gerade ein Ausdruck göttlicher Weisheit. Wo soll da die Nachfrage herkommen, wenn die Griechen sparen, dass „es quietscht“? Die Häuslebauer in den USA, die von der Immobilienpleite kalt erwischt wurden, haben sich schnell – „Yes, we can“ – mit ihrem Schicksal abgefunden. In Reykjavik wurde eine Regierung gestürzt, als die Kosten der Bankpleite den nächsten Generationen isländischer Steuerzahler aufgebürdet werden sollten. Dem Pleitekandidaten Dubai musste ein Schwippschwager aus der Golf-Nachbarschaft helfen. Den Finanzakteuren reicht die Welt der großen Gelder nicht mehr. Sie haben die produktive und reale Wirtschaft in den Würgegriff genommen und fordistische Giganten wie General Motors in den Staub geworfen, der nur mit 100 Milliarden Dollar Staatshilfe wieder auf die Beine kam. Die Finanzkrise ist nun dabei, Gesellschaften zu zerstören; sie unterminiert politische Projekte, sie raubt Generationen ihre Zukunft.

Keine Frage, die Griechen haben nicht gerade göttlich gewirtschaftet. Sie haben Korruption großen Stils zugelassen, doch dies erklärt die Finanzmisere nicht – vergleichbare Vergehen kann man sowohl den Musterschülern als auch den Lehrmeistern der EU und des Euroraums anlasten, Deutschland in erster Linie.

Häme und Arroganz

Die Götter des Olymp mögen keine Hochnäsigkeit, zumal man annehmen kann, dass sie die ökonomischen Mechanismen unserer Tage verstehen. Ihr geliebtes Griechenland ist nicht nur wegen eigenen Verschuldens in der Bredouille. Ein Land im unfreundlichen Norden Europas wird erstens mit einer Politik der niedrigen Lohnstückkosten zum Exportweltmeister, weil es andere Länder, darunter auch Griechenland niederkonkurriert. Zweitens gehen die nicht nur infolge der Exporteinnahmen liquiden Banken daran, Kapital in Ländern wie Griechenland zu investieren. Die Liberalisierung der globalen Finanzmärkte kommt ihnen da weit entgegen, so dass die Griechen wenig Chancen haben. Es ist verständlich, wenn manchem von ihnen der Kragen platzt, weil Focus und Bild mit Häme und Arroganz über sie herfallen.

Wenn es keine politische Protektion der eigenen Wirtschaft in einer neoliberalisierten Welt gibt, kann nur der soziale Widerstand gegen die Ausplünderung die Folge sein. Die Alternative wäre ein Raum regulierter Finanzmärkte. Gerade beginnt im Euroland die Debatte um einen Europäischen Währungsfonds, der ein Fortschritt im Vergleich zur Maastricht-Ideologie unregulierter Währungsmärkte sein könnte. Dieser Fortschritt wäre jedoch vergiftet, wäre nur an eine Institution gedacht, um Risiken der Banken abzusichern.

Damit wäre Griechenland nicht geholfen. Ein solcher Fonds müsste auch Schuldner unterstützen und für den Abbau der strukturellen Ungleichgewichte sorgen. Er dürfte nicht den Konstruktionsfehler des IWF wiederholen, nur die Defizitländer zu „strukturellen Anpassungen“ zu zwingen, die Überschussländer aber nicht. Er müsste auch Letztere in die Pflicht nehmen. Bleibt dies aus, wird die Europäische Währungsunion implodieren, indem beispielsweise die hochverschuldeten Länder hinauskatapultiert werden. Griechenland ist ein Menetekel, eine Warnung der Götter, das Spiel der Spekulanten zu beenden, bevor es zu spät ist.



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