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Der «Bund der Kommunisten» beauftragte im Dezember 1847 seine damals in Brüssel exilierten deutschen Mitglieder Karl Marx und Friedrich Engels mit der Redaktion eines Programms. Wenige Monate später erschien das «Manifest der Kommunistischen Partei» in London. In Brüssel lasen andere exilierte deutsche Arbeiter den Text. Und waren ziemlich verstört. Sie verstanden nicht, wie die angekündigte Revolution sich denn auch konkret verwirklichen liesse. Marx war von der Polizei inzwischen aus Brüssel vertrieben worden. Also schrieben die deutschen Arbeiter dem «verehrten Doktor Karl Marx» einen Brief in sein neues Exil nach London. Marx antwortete mit einem mysteriösen Satz: «Der Revolutionär muss imstande sein, das Gras wachsen zu hören.»
ES GRÜNT AM PARADEPLATZ. Und, liebe Freundinnen und Freunde! Das Gras wächst gegenwärtig. Selbst in der Schweiz. Selbst auf dem Zürcher Paradeplatz. Seit dem 15. Oktober trafen sich dort mehrfach samstags Menschen aller Altersklassen und sozialen Schichten aus einer Vielzahl sozialer und politischer Bewegungen. Sie demonstrierten gegen den Bankenbanditismus und gegen eine kannibalische Weltordnung, die in Europa die Demokratie bedroht und in der südlichen Hemisphäre pro Jahr 35 Millionen Menschen an Hunger sterben lässt. Warum plötzlich diese erstaunliche, erfreuliche Bewegung? Warum in Zürich? Warum diese eindrückliche Versammlung unter den Fenstern der Geldsäcke? Weil in der Herbstsession des eidgenössischen Parlaments die Abgeordneten einmal mehr vor den Missetätern in die Knie gesunken sind. Was als neue «Bankenkontrolle» verabschiedet wurde, ist nur lächerlich – einmal abgesehen von der geforderten Anhebung des Eigenkapitals. Und völlig wirkungslos.
WEITERHIN ASTRONOMISCHE BONI. Im Oktober 2008 stand die UBS als Folge ihrer blindwütigen Spekulationen vor dem Zusammenbruch. Und drohte, 70 000 kleine und mittlere Unternehmen mit in den Abgrund zu reissen. Unter der Federführung des Ex-UBS-Angestellten Hans-Rudolf Merz verschenkte der Bundesrat in einer Nachtund- Nebel-Aktion 68 Milliarden Franken an die kriminellen Spieler: Ein Fonds zur Liquidation der faulen Kredite wurde vom nichtsahnenden Steuerzahler finanziert. Auflagen wurden nicht gemacht. UBS (und Credit Suisse) drehten ungestört weiter am Roulette-Rad. Die Banken-Bonzen zahlten sich weiterhin astronomische Boni.
VORBILD DE GAULLE. Die kalten Monster in der Zürcher Bahnhofstrasse bleiben eine lebensgefährliche Bedrohung für die Schweiz. Die Grossbanken gehören deshalb sofort und entschädigungslos verstaatlicht. Das ist bei weitem keine linksextreme Forderung. Schon Charles de Gaulle, der katholisch-konservative Berufsoffizier, verstaatlichte im Januar 1945 Frankreichs Grossbanken. So garantierte er die Rettung der französischen Ökonomie und den demokratischen Wiederaufbau.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein jüngstes Buch, «Der Hass auf den Westen», erschien auf deutsch im Herbst 2009.
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