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Füdleblutter Wahnsinn
04.11.2011 | 10:26 Uhr

Füdleblutter WahnsinnNovartis und die «Rettung» Griechenlands. Kommentar von Oliver Fahrni - 3.11.2011

Finanzmärkte im Schockzustand: Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou will das Volk über das zweite Rettungspaket für Griechenland abstimmen lassen. Ein Aufschrei geht durch die EU und den Internationalen Währungsfonds IWF: Was? Jetzt sollen die Griechinnen und Griechen auch noch mitreden dürfen, wenn andere ihr Leben drastisch verändern wollen. Und was? Jetzt will die Politik den Banken und der Wirtschaft auch noch dreinreden? Demokratie als Bedrohung: Noch selten waren die herrschenden Verhältnisse so gut sichtbar: füdleblutt.
In der Wiege Europas hungern wieder Kinder. Mediziner der Universität von Cambridge warnen: Griechinnen und Griechen sterben, weil sie weder Medikamente noch medizinische Versorgung bekommen. Das verdanken sie dem drakonischen Sparprogramm, das der Internationale Währungsfonds und die deutsche Kanzlerin Merkel ihnen aufgedrückt haben. Derweil reissen sich die Banken griechische Inseln, Häfen, Telefonnetze und ganze Städte unter den Nagel. Für eine Handvoll Glasperlen.
Füdleblutt auch bei Novartis: Der Pharmariese will 2000 Arbeitende auf die Strasse stellen, davon 1100 in der Schweiz. Obschon der Multi in einem Ozean von Geld schwimmt. Und 10 Milliarden Reingewinn ausweist. Etwa zur selben Zeit wurde bekannt, dass sich die hochbezahlten Banker der geretteten deutschen Bank Hypo Real Estate 2010 und 2011 um 55,5 Milliarden Euro «verrechnet» haben. Pech. Ganz zufällig zulasten des Staates.

147 KONZERNE. Der Wahnsinn tobt. Er hat System. Fleissige Forscher der ETH Zürich haben die Daten von 37 Millionen Unternehmen ausgewertet. Sie belegen, dass eine kleine Gruppe von 147 Konzernen die Weltwirtschaft unter ihrer Fuchtel halten. Fast alle sind Banken. Die UBS liegt auf Platz 9 im Machtkern des kapitalistischen Systems. Die CS auf Platz 14.
Da verstehen wir gleich besser, warum sich Novartis den Kahlschlag leisten kann. Der Pharmamulti profitiert von der Schweiz, von den hart arbeitenden Angestellten, von Importschutz, garantierten Preisen, Forschung, Subventionen und Dumping-Steuern. Was sollen da Novartis-Boss Daniel Vasella die Schweizer Arbeitsplätze kümmern? Oder gar die «Volkswirtschaft »? Die Politik hat er im Sack: Wir haben kein Machtwort des Bundesrates gehört. Wie auch? Die Konzerne haben ihn längst entmachtet.
So entsteht die 1 : 99-Gesellschaft. 1 Prozent kassiert alles. 99 Prozent reiben sich die Augen.
Nur müssten wir dies alles wissen – und verstehen können. Zum Beispiel die «Rettung» Griechenlands. Merkel lässt sich dafür feiern, dass sie den Banken einen «Verzicht » abgerungen habe. Der Euro vorerst im Trockenen.
Seltsam nur: Die Aktien der Banken rasten nach oben, der Euro dümpelt im Tief. Einfach zu erklären, sagt der frühere Chefökonom der UBS, Klaus Wellershoff: «Es macht ziemlich deutlich, wo die Hilfe hinfällt – zu den Banken.»
Wie das? Griechenland wurde die Hälfte der Schulden erlassen. Etwa 100 Milliarden Euro. Fürchterliches Gejammer bei den Banken. Doch Wahrheit Nummer 1 ist: Griechenland spart sich seit zwei Jahren kaputt. Trotzdem haben sich seine Schulden verdoppelt, weil Banken und Ratingagenturen die Schuldenzinsen auf über 20 Prozent hochgeschaukelt haben.

SPEKULATIVE PAPIERE. Jetzt wird es erst richtig pervers: EU und IWF stecken 1,25 Billionen in den Euro-Rettungsfonds. Wozu? Um erstens die Banken für den Schuldenschnitt zu entschädigen und sie zweitens mit Kapital zu versorgen. Nicht zu den Griechen fliesst das Geld des Rettungsschirms, sondern zu den Banken. Denn schon wieder ist Bankenkrise.
Seltsam. Die Banken könnten die 100 griechischen Milliarden, verteilt auf ein paar Dutzend Finanzkonzerne doch gut verkraften. Ja klar. Nur geht es, Wahrheit Nummer 3, gar nicht um die Schulden. Es geht um einen Riesenhaufen spekulativer Papiere, den die Banken geschaffen haben. In der Summe 30 Mal mehr als die griechische Schuld. Damit haben sie gepockert. Und kassiert. Als sie diese Papiere schufen, wussten die Banken schon, dass sie irgendwann wertlos würden. Heute ist es so weit. Und die Banken werden «gerettet ». Schon wieder. Die ewige Erpressung. Wer bezahlt? Wer wohl. Manche meinen nun, die Banken seien durch die Rettung praktisch verstaatlicht. Es verhält sich umgekehrt. Die Staaten werden endgültig verbankt. Es sei denn, wir gewinnen die Demokratie zurück – gegen die 147 Konzerne.

aus: work, 3.11.2011



Link:  work-Zeitung

 
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