:: BaSo´s  internationale News ::

Tribunal der Völker in Kolumbien
30.06.2007 | 21:57 Uhr

Interview mit Edgar Paez, internationaler Sekretär der kolumbianischen Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal

Edgar, eure Gewerkschaft ist Mitorganisator einer Anhörung im Rahmen des Ständigen Tribunals der Völker (STV) in Kolumbien. Was ist dieses Tribunal und was wollt ihr mit der Anhörung erreichen?

Kolumbien ist ein Land sehr reich an natürlichen Ressourcen, die insbesondere durch multinationale Konzerne ausgebeutet werden. Um sich Zugang zu den natürlichen Reichtümern zu sichern, begehen die Konzerne Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder profitieren zumindestens von ihnen. Ermordungen, Vertreibungen, die Kriminalisierung der sozialen Proteste sind ein Dauerzustand in unserem Land. Die Rohstoffe werden durch den so genannten schmutzigen Krieg (Terror durch paramilitärischen Gruppen) oder durch den Staat - das nennen wir Staatsterror – auf Kosten weiter Teile der Bevölkerung gewonnen.

Diese Politik wird sowohl von transnationalen als auch von nationalen Konzernen, wie auch der kolumbianischen Regierung betrieben. Dabei hilft ihnen die fast vollständige Straffreiheit gegenüber den Tausenden seit vielen Jahren begangenen Verbrechen. Die Justiz funktioniert im Interesse der Reichen im Lande, was natürlich verheerende Auswirkungen auf unsere Organisationen hat.

Auf Grund der geschilderten Situation hat sich eine bedeutende Anzahl von Organisationen an die Lelio Basso Stiftung in Italien gewandt und gebeten, dass in Kolumbien eine Session des Ständigen Tribunal der Völker einberufen werde. Im Rahmen von öffentlichen Anhörungen soll über das Vorgehen der transnationalen Konzerne zu Gericht gesessen werden. Von der Stiftung wurden 6 Anhörungen einberufen zu den Themen Nahrungsmittel und Landwirtschaft, Bergbau, Biologische Vielfalt, Erdöl, öffentlicher Dienst und der Ausrottung Indigener Bevölkerung. Am Ende wird es dann eine abschließende Bewertung der vorgetragenen Verbrechen geben.

Was ist nun das STV?

Das STV ist ein Gericht, das einen Nichtregierungscharakter hat. Es geht auf das Russell-Tribunal zurück, das zur Aufklärung der US-amerikanischen Kriegsverbrechen in Vietnam gearbeitet hat. Es ist ein juristisches Instrument zur Wahrheitsfindung, Erlangung von Gerechtigkeit und integraler Entschädigung für die Opfer.

Das STV besteht aus ca. 130 Frauen und Männern, mit hoher moralische Reputation. Es handelt sich um SoziologInnen, Indigenas, Politiker, Intellektuelle, MenschenrechtsvertreterInnen etc., die durch den Rat der Lelio Basso Stiftung für das Recht und die Befreiung der Völker bestellt werden.

Die Grundlage der Urteile des STV sind die Menschenrechtskonventionen und Internationales Recht, und finden ohne die Seilschaften entlang der Interessen der politisch Mächtigen, seien es die nationalen Eliten oder die imperialen Herrscher statt. Sie werden außerhalb des üblichen juristischen Apparates der jeweiligen Länder durchgeführt und repräsentieren in gewisser Weise das ethische Bewusstsein der Völker bzw. der Menschheit.

Das STV ist bisher 31 mal zusammen getreten, um die Lage in verschiedenen Ländern mit gravierenden Leiden der Bevölkerung oder die Unterdrückung durch fremde Regierungen zu beurteilen. Neben dem Verhalten von TNCs wurden auch die Politik von WB und IWF beurteilt.

Im diesem Rahmen werden wir am 2. - 4. August diesen Jahres in Bogotá das Erdöl-Hearing durchführen. Es werden Anklagen gegen die Unternehmen Occidental Petroleum (OXY), Repsol und BP präsentiert werden.

Was sind die größten Probleme im Erdölsektor?

Die erwähnten Konzerne werden in verschiedenen Fällen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Umwelt beschuldigt. Dazu gehört die Auslöschung indigener Einwohner (Guajivos und Uwas), die Zerstörung der des biostrategischen Lagune del Lipa, systematische Menschenrechtsverletzungen und die Auslöschung von Sozialen Bewegungen, besondern in den Provinzen Casanare, Arauca, Boyaca, Santander.

Andere wichtige Themen, die vorgebracht werden, sind die Deregulierung der Arbeitsbedingungen und die Prekarisierung, die Massenentlassungen von Streikenden, die Ermordung und das Verschwindenlassen von Hunderten Gewerkschaftern der Erdölgewerkschaft USO auch mit dem Ziel, den Widerstand gegen die Privatisierung der Erdölproduktion (Ecopetrol) zu brechen und transnationalen Firmen noch stärker Zugriff auf kolumbianisches Erdöl zu verschaffen. Die USO ist entstanden im Kampf für die Verstaatlichung der Erdölproduktion. Heute ist sie mit der Privatisierung der 2. Raffinerie im Norden Kolumbiens konfrontiert.

Der kolumbianische Staat hat diesen Prozess nicht nur durch Gesetzesänderungen, sondern auch durch den Aufbau paramilitärischer Gruppen, deren Training und die Komplizenschaft bei Menschenrechtsverletzungen gefördert. Dafür wird vor dem Tribunal auch der kolumbianische Staat angeklagt werden.

Wer wird an dem Hearing teilnehmen?

Es werden Menschen aus den verschiedenen Regionen Kolumbiens aber auch aus anderen Teilen der Welt zugegen sein.

Edgar, du warst auch auf Einladung von BaSo bei Veranstaltungen des Gegengipfels dabei. Was war dein Eindruck?

Für mich war das eine sehr schöne Erfahrung: Große Demonstrationen, die die kriminelle Politik der Mächtigen, der Konzerne, den Kapitalismus angreifen. Tausende Menschen aus verschiedensten Ländern, die zusammenkamen, um gemeinsam für eine bessere Zukunft zu kämpfen, gemeinsam Alternativen zu entwickeln und Aktionen zu koordinieren, damit unsere Träume von der anderen Welt ein Gesicht bekommen.

In Deutschland ist deine Gewerkschaft hauptsächlich durch die Kampagnen gegen Coca Cola und Nestlé bekannt. Wie ist der Stand bei diesen Kampagnen?

Die Kampagnen gehen weiter und weiten sich aus zu einer allgemeinen Solidarität mit unserem Kämpfen. Der Einfluss der Konzerne, die Umweltprobleme werden immer größer, immer weniger Arbeiter haben vernünftige Beschäftigungsverhältnisse, die Abhängigkeit bei der Nahrungsmittelversorgung wächst, der Abbau der demokratischen Rechte schreitet voran und die Menschenrechte werden weiter verletzt. Deshalb sollte die Solidarität sich nicht nur auf einen Konzern beschränken, sondern wir gemeinsam weitere Initiativen ergreifen.

Was möchtest du uns noch mitteilen?

Am 22. Juli 2008 wird in Bogotá das letzte zusammenfassende Tribunal stattfinden. Wir möchten gerne, dass ihr uns bei diesen Aktivitäten begleitet, und uns helft, unsere gravierende Situation sichtbar zu machen. Gemeinsam kommen wir besser voran auf der Suche nach sozialer Gerechtigkeit, Souveränität und einem würdigen Leben. Lasst uns unsere gemeinsamen Bemühungen des Widerstands und für das Leben verstärken. Vielen Dank dafür, und wir sehen uns in Kolumbien!


bs, BaSo


 
vorige News
zurück zur Übersicht                              nächste News