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Arbeiterproteste im Hospital Frances in Buenos Aires
09.08.2008 | 16:37 Uhr

Korrespondenz 2.August 2008, Argentinien

Das Französische Krankenhaus ist eine stark frequentierte Klinik mit derzeit ca. 1200 Arbeitern und 350 Ärzten. Das Gemäuer ist teilweise alt, wirkt aber nicht verfallen, sondern zeugt von langer Tradition. Die medizinische Ausrüstung kommt der einer Privatklinik gleich. Im Jahr 2006 brachte eine „Investorengruppe„ unter direkter Führung des Premierministers die bis dahin öffentliche Einrichtung unter ihre Kontrolle. Die vollständige Privatisierung wurde unter stillschweigender Duldung der regierungsnahen Gewerkschaft eingeleitet. Fällige Gehaltszahlungen wurden „eingefroren“, Beiträge für den Fonds der Betriebsrente (die einzige Altersversorgung) wurden nicht mehr gezahlt, selbst eine 40-prozentige Lohnkürzung war für die zuständige Gewerkschaft lediglich Anlass für ein halbherziges Schreiben.

Erst ein 5-monatiger, von den Kolleginnen und Kollegen selbstständig organisierter und selbstfinanzierter Streik mit sehr großer Unterstützung aus der Bevölkerung, durch Patienten, von offensiven Gewerkschaftern und politischen Organisationen konnte die „ Wildwest-Situation scheinbar bereinigen. Statt ungeschminkter Privatisierung wurde Anfang 2007 eine - der deutschen gGmbH (gemeinnützig) vergleichbare - Rechtsform geschaffen, die auf bestimmte Zeit vom nationalen Arbeitsministerium kontrolliert wird. In einer “gemeinsamen Arbeitsvereinbarung „ mit der bis dahin auffällig zurückhaltenden gewerkschaftlichen ATSA wurden Gehalts–, Renten– und Arbeitsplatzgarantien festgeschrieben.

Aber seit die Regierung die Kontrolle über das Krankenhaus übernommen hat , wurden verschiedene kostenintensivere Sektoren geschlossen, so z.B. Dialyse, Tomographie, Ultraschall, Nuklearmedizin sowie die Altenstation mit über 100 Betten. Die Kinderstation mit 60 Betten wurde einer anderen Klinik angegliedert. Das Personal wurde in eine „Warteposition„ abgeschoben.

Während die Klinikleitung gegen die Mitarbeiter prozessiert, die diese Situation kritisierten und öffentlich anprangerten (sie waren sofort entlassen worden), wurde das Krankenhaus auf eine minimale Grundversorgung heruntergefahren mit nur 19 Zimmern für stationäre Patienten. Die Prekarisierung der Arbeit ist extrem, das gesamte Personal sieht seine Zukunft völlig im Dunkeln. Mitarbeiter werden willkürlich entlassen. Die Gewerkschaft ATSA schweigt dazu.

Vor dem Hintergrund dieser Situation haben sich letzte Woche ca. 100 Arbeiter (vorwiegend des nichtmedizinischen Personals) vor dem Haupttor der Klinik an der Av. La Rioja 951 versammelt. Die Transparente fordern Arbeitsplatzsicherung. Sie kritisieren darauf, dass die nationale Regierung Zusagen gemacht hat, die nicht eingehalten werden. „Wir sehen uns zu solchen Protestmaßnahmen gezwungen, da die Vereinbarungen über Arbeitsplatzgarantien völlig ignoriert werden … „ kommentieren die Protestierenden in einer Pressemeldung.

Der gewählte Personalvertreter David Garutti erklärte, dass „… keine der im Arbeitsministerium unterzeichneten Übereinkünfte mit ATSA uns die erworbenen Rentenansprüche oder das Gehalt garantieren…“. Der Sekretär der Arbeitervereinigung des Gesundheitswesens (ATSA), Hector Daer, führte dazu aus, dass auf Grund des Artikel 230 der Gemeinsamen Arbeitsübereinkunft diejenigen, die künftig im Privatsektor tätig werden und aus dem öffentlichen Sektor ausscheiden müssen, alle erworbenen Rentenansprüche und Gehaltsregelungen verlieren. Leider könne man die gemeinsame Arbeitsübereinkunft nicht mehr ändern.

Damit das aber nicht eintritt und Verluste gering gehalten werden, wurde eine zusätzliche Vereinbarung mit dem PAMI unterzeichnet und das Arbeitsministerium würde die Arbeitsplatzgarantie und die Zahlung der Gehälter in der gegenwärtigen Höhe absichern. Daer betonte, das einzige was passieren könne, wäre dass einige Arbeiter in andere öffentliche Einrichtungen versetzt würden, wobei sie das Gehalt und den Rentenanspruch in der vereinbarten Höhe weiter erhalten würden.

Demgegenüber erklärten die Demonstranten, dass sich das von Graciela Ocana gegebene Versprechen, nachdem viele, der in die „Warteposition„ abgeschobenen Kollegen an anderen Orten eingegliedert würden, kaum erfüllt hat. Von 200 abgeschobenen Kollegen konnten nur 30 in anderen öffentlichen Einrichtungen Arbeit finden. Gehalts – und Rentenansprüche sind dabei noch völlig ungeklärt.

Der Funktionär Hector Daer erklärte im Anschluss der Presse, dass nur 100 von 1500 Beschäftigten im Hospital Frances und einige politische Aktivisten diesen Protest tragen würden. Tatsache ist aber, dass im Vorfeld am Freitag, den 18.Juli 2008 eine Generalversammlung des nichtärztlichen Personals im Gesundheitszentrum stattfand und dass die Beschränkung auf vorwiegend nichtmedizinisches Personal bei der Toraktion einzig der beabsichtigten Sicherung der Patientenversorgung geschuldet ist.

David Garutti äußerte gegenüber der Presse, dass die Weigerung der Klinikleitung, das nun fehlende Krankenhauspersonal - insbesondere die geforderten Krankenpfleger - wieder einzugliedern, sich durchaus als Risiko für die Gesundheit und das Leben der Patienten auswirken könnte. Außerdem können sie 4 Monate des eingefrorenen Gehalts nicht akzeptieren, da man die Gehaltsschuld ab der Übernahme durch Ocana im Datum berechnet, wobei das Gehalt auf die Hälfte gekürzt wurde.

Die Forderungen beinhalten:

- Keine Schließung der Klinik

- schriftliche Garantie der Klinikleitung im PAMI für Rentenanspruch, Gehalt, Entwicklungsmöglichkeiten sowie Wiedereröffnung aller Abteilungen

- Wiedereinstellung der entlassenen Kollegen

- Rehabilitierung und Einstellung der Strafprozesse gegen die protestierenden Companero/as

- Vollständige Zahlung der Gehaltsschulden

- Verstaatlichung des Hospitals


Marcela V.
2. August 2008
Capital Federal Argentina (Andreas D.)




 
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