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Genozid an den Indigenen in Kolumbien
16.08.2008 | 22:03 Uhr

Urteil des Ständigen Völkertribunals zum Genozid an den Indigenen in Kolumbien

Atánquez, Sierra Nevada de Santa Marta, 18./19. Juli 2008
Die öffentliche Anhörung zum Genozid an den indigenen Völkern

Am 18. und 19. Juli 08 fand in Atanquez, in der Sierra Nevada von Santa Marta im Territorium der Kankuamos die öffentliche Anhörung zum Genozid an den Indigenen statt. Dieser Session waren fünf Voranhörungen in verschiedenen Regionen Kolumbiens zur Situation der indigenen Völker voran gegangen.

Das Tribunal stellte u.a. fest, dass „die Regierung Kolumbiens eine Politik durchsetzt, welche im Dienste der Interessen der grossen multinationalen Unternehmen steht. Das Resultat ist die Verletzung der Rechte der indigenen Völker und die Durchsetzung von Grossprojekten zur Ausbeutung von Bodenschätzen und Rohstoffen, von agroindustriellen Komplexen, von Tourismus- und Infrastrukturprojekten, welche in schwerster Weise die indigenen Völker in Mitleidenschaft ziehen“.

28 indigene Völker sind aufgrund dieser Politik in Kolumbien akut vom Aussterben bedroht. Die Zahl der Morde an indigenen Führungsleuten hat sich seit der Amtsübernahme von Präsident Uribe praktisch verdoppelt: 146 Indigene – darunter zahlreiche Führungskräfte und spirituelle Autoritäten – werden durchschnittlich pro Jahr ermordet. 8% der indigenen Bevölkerung Kolumbiens wurden gewaltsam vertrieben und damit ihrer engen Verwurzelung mit ihrem Territorium - der Mutter Erde - beraubt. Oft bedeutet die Vertreibung den Tod als indigene Gemeinschaft und damit einen eigentlichen Ethnozid.

Viele indigene Gemeinschaften befinden sich in einer Art Belagerungszustand durch die Präsenz bewaffneter Akteure, d.h. der Armee, oft im Verbund mit den Paramilitärs, oder der Guerilla. Trotz der formellen Demobilisierung der paramilitärischen Verbände wurde am Tribunal wiederholt angeklagt, dass die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Strukturen des Paramilitarismus intakt geblieben sind. Der Kampf um die territoriale Kontrolle und die Ausbeutung der Bodenschätze und natürlichen Rohstoffe macht die indigenen Völker zur Zielscheibe gewaltsamer Übergriffe.

Obwohl in der Verfassung Kolumbiens und in den von Kolumbien unterzeichneten internationalen Abkommen die Rechte der indigenen Völker breit verankert sind, werden diese Rechte ständig, massiv und systematisch aufs schwerste verletzt. Alle diese Rechtsverletzungen bleiben in völliger Straflosigkeit.

Das Ständige Völkertribunal erinnert in seinem Urteil daran, dass das Statut von Rom, wel-ches zur Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofes führte, im Artikel 7b folgendes festhält: „Die Ausrottung beinhaltet die absichtliche Durchsetzung von Lebensbedingungen, die Vorenthaltung des Zugangs zu Lebensmitteln und Medikamenten etc., welche darauf abzielen, die Zerstörung eines Teils der Bevölkerung herbei zu führen.“

Das Ständige Völkertribunal kommt zur folgenden Schlussfolgerung:
„Das Tribunal erachtet die allgemeinen und generalisierten Verletzungen der kollektiven und individuellen Rechte der indigenen Völker, wie sie an dieser öffentlichen Anhörung zum Ausdruck kamen, als äusserst schwerwiegend.
Obwohl die kolumbianische Verfassung von 1991 den indigenen Völkern Grundrechte wie das Recht auf Identität und kulturelle und territoriale Integrität, das Recht auf Mitbestimmung und vorgängige Konsultation, auf die kulturelle Selbstbestimmung und politische, rechtliche, administrative und finanzielle Autonomie verleiht – wobei viele dieser Rechte in internationa-len Abkommen verankert sind, welche von der kolumbianischen Regierung unterzeichnet und ratifiziert wurden – (...) haben die Anhörungen des Völkertribunals in den indigenen Territorien die Verletzung der Mehrheit dieser Rechte klar aufgezeigt. Besonders bedeutsam ist, dass die Mehrzahl dieser Verletzungen die Konsequenz von Politiken und Entscheiden der Regierung Kolumbiens selber sind, deren Haltung völlig unvereinbar ist mit der Verpflichtung zum Schutz der eigenen Bevölkerung, die indigenen Völker miteingeschlossen.“

Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ask, Bruno Rütsche



Bruno Rütsche


 
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