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Der Fall des Bankgeheimnisses ist für das Kapital vielleicht ein Nachteil. Für die Volkswirtschaft kaum.
Zahlen sind nicht die Stärke der Banker. Sie halten es eher mit der wundersamen Vermehrung. Wundersame Vermehrung etwa der Kontengebühren. Wundersame Boni und Verluste. Und jetzt die Vermehrung des Schwarzgeldes: Rechtzeitig zur Debatte über das Bankgeheimnis hat die Banquiervereinigung entdeckt, dass in ihren Geldhäusern nicht 1 Billion Franken von ausländischen Privaten liegen, wie die Nationalbank in ihren Statistiken meint. Sondern 2 Billionen. Ist das eine Art Geständnis der Banker? Nein. Mit der sonderbaren Aufdeckung wollen sie uns sagen, dass die Abschaffung des Bankgeheimnisses riesige Verluste brächte. Denn diese 2 Billionen könnten sich dann in diskretere Weltgegenden verdrücken, zum Beispiel auf die britischen Kanalinseln Guernsey und Jersey, in die Karibik oder gar ins nordkaukasische Steuerparadies Inguschetien. Das Argument löst Ängste aus. Viele Schweizerinnen und Schweizer nehmen die Behauptung der Banker für bare Münze, das Bankgeheimnis sei die Grundlage des hiesigen Wohlstandes. Sehen wir uns das genauer an. GANZ OBEN AUF DER LISTE An die 6 Billionen Franken ausländisches Geld lagern in der Schweiz, Privatvermögen, Anlagefonds, Pensionskassen, Holdings usw. zusammengenommen. Dieses Land ist der grösste Offshore-Finanzplatz der Welt. Offshore bedeutet: hohe Vetraulichkeit, niedrige Steuern, minimale Finanzaufsicht, minimale gesetzliche Regeln. In den vergangenen Jahren ist die Zahl solcher Steuer- und Rechtsoasen, die sich einem entfesselten Kapital dienstbar machen, explodiert. Das Bankgeheimnis breitet sich aus. Doch die Schweiz gehört weiterhin ganz oben auf die schwarze Liste der Steuerparadiese. Denn trotz Konkurrenz ist dieses Land immer noch der grösste Tresor – UBS, CS und eine Handvoll Privatbanker verwalten mehr als einen Viertel (27 Prozent) des Offshore- Weltvermögens). Wurde das Bankgeheimnis jetzt auf Druck der USA und der EU aufgegeben? Wird das «30000 Arbeitsplätze kosten», wie der SVPNationalrat und Bankenberater Hans Kaufmann behauptet?
IRRITIERENDE ROLLE Unsinn. Im Deal räumte der Bundesrat nur ein, bei Steuerhinterziehung im Einzelfall die Daten von Steuerflüchtigen auszuliefern. Unter engsten Bedingungen zudem: nur auf Antrag. Der Antrag muss den Namen des Steuerflüchtigen nennen und die Bank (das können die Steuer- oder Strafverfolgungsbehörden selten). Und geliefert wird nur an Länder, mit denen man ein Doppelbesteuerunsabkommen hat. 70 solcher Abkommen sollen jetzt neu ausgehandelt werden. Dabei will der Bundesrat weitere Vorteile für den Finanzplatz herausschlagen. Etwa den Trust einführen, ein besonders lichtundurchlässiges Finanzinstrument. Locker kommentierte denn auch die Vereinigung der Privatbanquiers: «Keine Katastrophe.» Von UBS und CS haben Kunden weit mehr Kapital abgezogen, weil die Grossbanken sich bis an den Rand des Bankrotts verspekuliert haben, als ihnen jetzt durch die Lockerung des Bankgeheimnisses verloren gehen könnte. Vor allem aber bleibt die Schweiz als Drehscheibe für globale Konzernholdings unangetastet. Sie profitiert von einem merkwürdigen Umstand: Die Finanzkrise verlangt nach weltweiten Regulierungen. Im Handel mit Waren gibt es solche Regeln. Sobald aber im Finanzbereich die Rede auf Regeln kommt, verschanzt sich das globalisierte Kapital hinter nationalen Souveränitäten. Die Schweiz spielt dabei eine besonders irritierende Rolle.
MASSLOS ÜBERSCHÄTZT All dies hindert bürgerliche Politiker nicht, eine nationale Abwehrfront auszurufen. Kein Wunder: sie werden von den Banken finanziert. Zwei Dinge geraten dabei durcheinander: Für das Kapital wäre der vollständige Fall des Bankgeheimnisses vielleicht ein Nachteil – für die Volkswirtschaft erstaunlicherweise kaum. 6 Billionen sind zwar eine Menge Geld, und aus ihrer Verwaltung, Herumschieberei und Mehrung lassen sich hohe Profite schlagen. Nur: Wie viel Wohlstand schafft das real? Die Banken beschäftigten 2008 rund 130 000 Personen. Heute deutlich weniger. Vergleich: Allein die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie hat dreimal so viel Menschen im Lohn. Vor zwei Jahren trug der Finanzplatz rund 8,3 Prozent zum BIP bei. Heute werden es wohl kaum mehr als 6 Prozent sein, hat Ex-Preisüberwacher Rudolf Strahm errechnet. Davon ist höchstens ein Viertel vom Bankgeheimnis abhängig – schliesslich machen die Banken den Grossteil ihrer Geschäfte mit inländischen Kunden und Firmen. Eineinhalb Prozent vom BIP könnten also betroffen sein. Weil aber viele Kunden mehr auf Sicherheit und das Know-how der Banker als aufs Bankgeheimnis setzen, schätzt Strahm mögliche Verluste auf etwa 1 Prozent. Eine Zahl, die etliche Wirtschaftsprofessoren für realistisch halten. Ihnen gilt das Bankgeheimnis als masslos überschätzt.
WENIGER WÄRE MEHR Schlimmer: Vermutlich kostet das Bankgeheimnis die Volkswirtschaft sogar mehr, als es einbringt. Denn das Fluchtgeld treibt den Franken hoch und schädigt damit die Exportindustrie. Und wenn mit Finanzinvestitionen im Inland mehr Geld zu machen ist als mit realer Produktion, bleiben Investitionen aus. Weniger Finanzplatz würde mehr Arbeit bedeuten. Und mehr Wohlstand. Unterm Strich bleiben allein die hohen Steuerausfälle. Nur kann es nicht sein, dass öffentliche Dienste und Güter vom spekulativen Auf und Ab der Finanzmärkte abhängen. Sie müssen stabiler finanziert werden. Etwa durch eine Umverteilung der Einkommen – weg vom Kapitalertrag, hin zu mehr Lohn.
work, 19.03.2009
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Oliver Fahrni
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