Geheimhaltung des Transports von Uran aus São Paulo nach Bahia gescheitert. Anwohner sind wütend und protestieren gegen Atomkraft
Von Christian Russau
18.05.2011 01:03
Dieser Artikel ist Teil eines Dossiers: Atomkraft in Lateinamerika
Beiträge zur Debatte um die friedliche Nutzung der Atomenergie in Lateinamerika.
Salvador. Mehr als 3.000 Anwohner Brasiliens bislang einziger Uranmine Caetité im Bundesstaat Bahia haben am Sonntag und Montag einen aus São Paulo kommenden Atomtransport vorübergehend blockiert. Die Anwohner sperrten die Hauptzufahrtsstraße zu der auch unter dem Namen "Lagoa Real" berüchtigten Uranmine. Einer Untersuchungen von Greenpeace aus dem Jahre 2008 zufolge, verseucht die Mine das Trinkwasser von 3.000 Menschen bis zu siebenfach über den Grenzwerten mit Uran.
Der Transport war von der staatlichen Atombehörde INB geheim gehalten worden, aber Gewerkschafter aus Rio de Janeiro bekamen Wind von der Operation und informierten die Gemeinde Caetité. Daraufhin formierten sich die Anwohner laut lokalen Medienberichten zu einer "menschlichen Barriere" und blockierten die zwölf auf Lastwagen angelieferten Container. Auch über den Inhalt bestand tagelang Unklarheit, so die Kritik der Anwohner. "Die Behörden haben keinerlei öffentliche Erklärung abgegeben, worum es überhaupt geht", empörte sich Gilmar Santos von der Landpastorale CPT gegenüber dem Portal Rede Brasil Atual. Der Bürgermeister von Caetité wollte zunächst von allem nichts gewußt haben, dann erklärte er, es sei alles mit der Umweltbehörde abgesprochen gewesen.
Die Atomladung wurde wegen der Blockade zunächst ins benachbarte Munizip Guanambi verbracht. Doch auch der dortige Bürgermeister ließ keinen Zweifel daran, dass "das Zeug hier nicht bleiben kann". Erst nach den massiven Protesten sah sich die Atombehörde INB bemüßigt, über den Inhalt der Ladung aufzuklären. Demnach handelt es sich um "Urankonzentrat" aus dem Forschungsreaktor Aramar in São Paulo, wo die Marine Brasiliens Zentrifugentechnik entwickelt. Das Uran sollte nun in Caetité "neu verpackt" und "zur Weiterverarbeitung nach Europa" versandt werden. Laut Informationen von amerika21.de handelt es sich dabei um die britisch-deutsch-niederländische Urenco, die das Material für die spätere Verwendung in Brasiliens Atomanlage Angra aufbereiten soll.
Der Protest der Anwohner ist einer der bislang größten Anti-Atom-Proteste in der Geschichte Brasiliens. Nach der Atomkatastrophe in Fukushima hatten sich in Rio de Janeiro nur rund 50 Personen an der für 1.000 Personen geplanten Anti-Atom-Demo beteiligt. Brasilien hatte im Jahre 1987 einen weltweite Schlagzeilen erregenden Nuklearunfall von Goiânia, bei dem radioaktives Cäsium-137 freigesetzt wurde. Damals starben mindestens vier Menschen, und Teile der Stadt sind bis heute radioaktiv belastet. Der Unfall wurde auf der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) mit Stufe 5 eingestuft.
In Brasilien werden enorme noch unerschlossene Uranvorkommen vermutet. Um über die Gefahren nicht nur der Atomenergie, sondern auch des Uranbergbaus zu informieren, findet deshalb in Rio de Janeiro ab dieser Woche das 1.Internationale Filmfestival "Urânio em Movi(e)mento" statt, das Mitte des Jahres auch in fünf weiteren brasilianischen Großstädten gezeigt wird.
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