Von Oliver Fahrni
Stinkt er nach Schwefel? Daniel Vasella wird dieser Tage von seinem grossbürgerlichen Milieu gemieden. Denn sein Versuch, den eigenen Abgang als Präsident von Novartis mit 72 Millionen Franken zu vergolden, hat die Kampagne der Economiesuisse gegen die Abzockerinitiative endgültig versenkt. Dafür Managern und rechten Politikern beschimpfen lassen. Vasella hat von Novartis seit 1996 gut 420 Millionen Franken kassiert, und mit den Beraterverträgen wird es wohl eine halbe Milliarde werden. Und er besitzt für rund 200 Millionen Franken Novartis-Aktien. Um 420 Millionen zu verdienen, hätten Vasellas Angestellte mit den tiefsten Löhnen im Jahr 4872 vor Christus mit ihrer Arbeit beginnen müssen.
UMVERTEILUNG NACH OBEN Warum lassen die Besitzer zu, dass ein Manager dem Konzern so viel Geld abnimmt? Warum tun dies auch die Aktionäre von UBS, Nestlé, Roche, ABB, CS, Zürich-Versicherungen usw.? Sie honorieren damit einen speziellen Typus Manager. Manager, die bereit sind, trotz Milliardengewinnen einige Tausend Arbeitende auf die Strasse zu stellen. Die rentable Betriebe schliessen, weil anderswo oder mit Finanzspekulationen noch höhere Renditen zu erzielen sind. Manager, die den Arbeitenden seit zwei Jahrzehnten die Produktivitätsfortschritte stehlen und damit die Gewinne explodieren lassen. Und die der öffentlichen Hand abpressen, was immer zu holen ist. Die den Wert der Aktie steigern statt die reale Substanz des Unternehmens. Führungsleute wie Vasella werden dick dafür bezahlt, für die Aktionäre die Umverteilung nach oben zu organisieren. Ihr spezielles Können besteht darin, der Volkswirtschaft Schaden zuzufügen, damit die Reichen noch sehr viel reicher werden. So können Manager wie Vasella, der als junger Mann den Trotzkisten («Cercle Gracchus») anhing und später als Arzt im Berner Inselspital arbeitete, bevor er in die Chemie-Dynastie der Sandoz einheiratete, eine halbe Milliarde machen. Und, viel wichtiger: über die Existenzen von Zehntausenden herrschen. Die Abzockerei der Manager ist kein Unfall des Systems, sondern Teil seines Betriebs. Bisher funktioniert das gut: In der Schweiz besitzen 1 Prozent schon mehr als die restlichen 99 Prozent. Und die Lohnschere geht auf. Dramatisch wächst die Ungleichheit.
MINDER STÖSST DIE TÜRE AUF Da zeigt sich das Minder-Märchen hinter der Abzockerinitiative. Minders Initiative ist gut, weil sie eine Türe aufstösst: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten bekommen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Chance, der spekulativen Wirtschaft mit einem politischen Entscheid Grenzen zu setzen. Darum wollte die Economiesuisse dieses Ja unbedingt verhindern. Doch die Initiative stärkt auch die Aktionäre. Darum ist Minder nur der erste Streich. Und der zweite folgt sogleich: Wahrscheinlich stimmen wir schon im Herbst über die 1 : 12-Initiative der Juso ab. Ein Ja zu Minder dient dem Ja zu 1 : 12. Nur die 1 : 12-Initiative kann die Abzocker tatsächlich stoppen. Weder Minder noch der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments, schreibt die «NZZ», hätten Vasellas 72-Millionen- Raubzug verhindert. Richtig.
1 : 12 RÄUMT RICHTIG AUF Der Boni-Reigen geht weiter. Ein, zwei, drei … viele Vasellas sind schon am Werk. Vasella-Nachfolger CEO Joe Jimenez kann auf 19 Millionen Franken pro Jahr hoffen. Und bei gutem Gewinn sogar auf ein Mehrfaches an Boni. Edward Breen, der abtretende Chef der Schaffhauser Holding Tyco, wird jetzt mit 140 Millionen Franken entschädigt. Roche-Präsident Franz Humer, der über Vasella die Nase rümpft, hat in den letzten 10 Jahren 141,9 Millionen abgezockt. Sein CEO, Severin Schwan, garniert 213 Mal mehr als die Roche-Basisangestellten (siehe Artikel unten). Von Banken und Versicherungen ganz zu schweigen. Die 1 : 12-Initiative setzt dagegen eine einfache und klare Regel: Die Bestbezahlten eines Unternehmens dürfen im Monat nicht mehr verdienen als die Schlechtestbezahlten in einem Jahr. In welche Richtung die Löhne angepasst werden, schreibt die Initiative nicht vor. Man kann die Spitzenlöhne auf das Zwölffache der Tiefstlöhne senken. Immer noch viel. Beharrt der Chef aber auf seinen vielen Millionen, könnte man auch die Tieflöhne anheben. Der Abwart von Novartis bekäme dann rund 110 000 Franken Lohn. Pro Monat. 1,3 Millionen im Jahr. Der Hilfsarbeiter bei Lindt & Sprüngli würde jeden Monat 72 000 Franken nach Hause tragen. Und die Empfangsdame bei Nestlé dürfte sich über eine knappe Million pro Jahr freuen. Dieses kleine Gedankenspiel zeigt, warum die 1 : 12-Initiative die bessere Lösung gegen die Abzockerei ist: Sie räumt nicht nur mit den absurden Gehältern und Boni der Manager auf. Sie stellt auch die Frage, wie der Reichtum, den wir alle erarbeiten, verteilt werden soll. Wie die Ungleichheit also verringert werden kann. Und da kommt noch der dritte Streich: 2014 werden wir über die Mindestlohninitiative der Gewerkschaften abstimmen. Sie fordert einen existenzsichernden Mindestlohn von 22 Franken die Stunde (rund 4000 Franken). Die Schweizerinnen und Schweizer haben es in der Hand, die Sache wie bei Wilhelm Busch («Max und Moritz») enden zu lassen: «Nun ist’s vorbei / Mit der Übeltäterei.»
work, 28.02.2013
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