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Bayer kauft Roche´s OTC
23.07.2004 | 22:52 Uhr

Der schweizerische Roche-Konzern verkauft das Geschäfts mit rezeptfreien Medikamenten an Bayer.
Der Belegschaft droht jetzt der Stellenabbau wie die FTD am 20.7.04 vermeldet.
Roche erzielte mit verschreibungspflichtigen Pillen im vergangenen Jahr knapp 20 Mrd. Franken Umsatz und 24 Prozent Marge auf Basis des Ergebnisses vor Steuern und Zinsen (Ebit). Die Diagnostika kamen auf 7,4 Mrd. Franken und 19 Prozent Marge. Die in der Apotheke frei erhältlichen Medikamente, die Roche nun an Bayer veräußert, erwirtschafteten dagegen bei knapp 1,8 Mrd. Franken Erlösen nur 15 Prozent Rendite. In diesen Zahlen ist allerdings der - mit knapp 200 Mio. Franken geringe - Umsatz der japanischen Beteiligung Chugai enthalten, die nicht an den Bayer-Konzern übergeht.

Konzentration aufs Kerngeschäft
Branchenkenner gehen davon aus, dass sich die meisten Pharmakonzerne, die in der Erforschung patentgeschützter und rezeptpflichtiger Medikamente engagiert sind, auf dieses Kerngebiet konzentrieren werden. Jene, die ein "Over the Counter"-Geschäft (OTC-Geschäft) haben - wie etwa der Roche-Nachbar Novartis - würden es nicht unbedingt verkaufen, es wohl aber vermutlich auch nicht ausbauen. Für Bayer hingegen ist OTC interessant, weil das eigene Geschäft mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln in die Krise gerutscht ist. Bayer musste 2001 den Cholesterinsenker Lipobay vom Markt nehmen, wodurch Milliardenumsätze wegfielen. Der wichtige Umsatzträger Ciprobay hat unlängst seinen Patentschutz verloren. Und aus dem Vorrat an neuen Medikamenten in der Forschung ("Pipeline") wird vor 2006 kein neues Produkt kommen.

Pharmageschäft aufpäppeln
Zunächst versuchte Bayer-Chef Werner Wenning, das Pharmageschäft durch einen starken Partner aufzupäppeln. Doch kein Unternehmen fand sich zu einer Kooperation bereit. So deklarierte Wenning stattdessen den Ausbau des OTC-Segments zu einem der obersten Prioritäten. Als positive Kehrseite der niedrigeren Margen ist OTC nicht mit den hohen Forschungsrisiken befrachtet wie das klassische Pharmageschäft. Zugleich lagert Bayer gegenwärtig einen Großteil seiner Chemie- und Kunststoffgeschäfte in eine neue Firma mit dem Namen Lanxess aus - 5,8 Mrd. Euro Umsatz fallen weg. Einen Teil dieses Verlusts kompensiert nun der Zukauf der Roche-Sparte. Nach dem Kauf der Aventis-Pflanzenschutzsparte für rund 7 Mrd. Euro im Jahr 2002 ist es die zweitgrößte Akquisition der Firmengeschichte - zusammen mit dem Erwerb der Polyol-Kunststoffvorprodukte von Lyondell für 2,45 Mrd. $ vor einigen Jahren.

Magen- und Darmmittel
Firmenkenner erwarten, dass Bayer nun erst einmal den Lanxess-Abspaltungsprozess bewältigt und erst dann wieder größere Zukaufprojekte in Angriff nimmt - und zwar vornehmlich mit Pflanzenschutz oder im OTC-Geschäft. Roches OTC-Medikamente sind von derselben Art wie jene Bayers: Schmerz-, Haut-, Magen- und Darmmittel sowie Vitamin- und Mineralstoffpräparate. In den konkreten Anwendungen ergänzen sich die Produkte aber vielfach: Bei den Hautmitteln etwa verfügt Roche über die Wundsalbe Bepanthen, Bayer über das Fußpilzmittel Canesten. Bayer rechnet mit drei Prozent Wachstum in dem weltweit rund 50 Mrd. Euro umfassenden OTC-Markt. "Das fusionierte Geschäft soll dieses Wachstum um etwa die Hälfte übertreffen", sagte ein Bayer-Sprecher. 2003 war der Bayer-OTC-Umsatz um zwölf Prozent gestiegen, begünstigt indes durch den schwachen Dollar.

Stellenabbau steht bevor
Bayer erwartet 300 Mio. Euro Einmalkosten durch den Erwerb und eine Belastung für den Gewinn 2005. Von 2006 an werde der Zukauf zum Gewinn beitragen. 100 bis 120 Mio. Euro könnten über drei Jahre stufenweise durch die Fusion an Synergien eingespart werden - davon über 30 Prozent durch Stellenabbau. Wie viele Arbeitsplätze verschwinden, ließ Bayer offen. Bayer hat im OTC-Geschäft 3500, Roche 3200 Mitarbeiter. Die OTC-Europazentrale wird von Leverkusen in die Schweiz verlegt, in die Nähe Basels - unter anderem aus Steuergründen, wie Wenning sagte.

Rezeptfreie Marge Verschreibungsfrei
OTC-Produkte erfordern nicht den hohen Forschungsaufwand herkömmlicher Produkte. Dafür sind sie meist auch weniger gewinnträchtig.
OTC-frei
Roche trennt sich von den Produkten, um sich auf das Geschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten und Diagnostika zu konzentrieren.
© 2004 Financial Times Deutschland , © Illustration: dpaURL des Artikels: http://www.ftd.de/ub/in/1090154450636.html



Aus der FTD vom 20.7.2004 www.ftd.de/roche
Bayer kauft Alltagsmedizin von Roche
Von Klaus Max Smolka, Frankfurt

Der Aspirin-Konzern Bayer übernimmt für 2,4 Mrd. Euro das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten des Schweizer Konkurrenten Roche. Damit sollen die Probleme der kriselnden Sparte mit rezeptpflichtigen Medikamenten wettgemacht werden.
Nach dem zweitgrößten Zukauf der Firmengeschichte strebt das Leverkusener Chemie- und Pharmaunternehmen an, Weltmarktführer bei den frei verkäuflichen Arzneiprodukten zu werden. Bayer setzt in seiner Gesundheitssparte verstärkt auf "Over-the-Counter"-Produkte (OTC). Die Sparte der rezeptpflichtigen Arzneien kriselt seit dem Rückzug des Blutfettsenkers Lipobay vor drei Jahren. Bayer-Chef Werner Wenning sieht dieses Konzernsegment nur noch als mittelgroßen europäischen Spieler. Der Erwerb der Roche-Sparte ist die erste große Expansion seit mehr als zwei Jahren. Die letzte Zeit war vor allem durch Verkäufe geprägt. So lagert Bayer einen großen Teil des Chemie- und Kunststoffgeschäfts in die neue Firma Lanxess aus. Bayer verfügt schon jetzt über eine Palette weltweit bekannter Arzneien, die ohne Rezept in der Apotheke erhältlich sind - allen voran den 100 Jahre alten Verkaufsschlager Aspirin gegen Kopfschmerzen. Nun kommen von Roche weitere bekannte Marken wie das Magenmittel Rennie oder die Wundsalbe Bepanthen hinzu. Das OTC-Geschäft erzielt weniger hohe Renditen, ist aber risikoärmer, weil es nicht die enormen Forschungskosten für innovative Medikamente erfordert. "Es ist unser erklärtes Ziel, unser OTC-Geschäft weiter auszubauen und die Nummer eins weltweit zu werden", sagte Wenning am Montag. Die Hoffnungen auf das OTC-Geschäft speisen sich aus der zunehmenden Privatisierung im Gesundheitswesen. "Wir sehen eine Verlagerung der Ausgaben vom Staat hin zu den Patienten", sagte der Chef der Bayer-Gesundheitssparte Arthur Higgins.

Hoher Kaufpreis

Gegenwärtig ist Bayer sechstgrößter OTC-Anbieter der Welt, Roche die Nummer acht. Zusammengenommen wird die Sparte 2,4 Mrd. Euro Jahresumsatz erreichen - und auf einen Weltmarktanteil von knapp fünf Prozent kommen. Damit erreicht sie die Größenordnung der beiden Branchenführer Johnson & Johnson (USA) und GlaxoSmithKline(Großbritannien). Experten bewerteten den Kaufpreis als hoch. "Die Übernahme ist strategisch sinnvoll für Bayer. Der Kaufpreis liegt allerdings am oberen Ende meiner Erwartungen", sagte Analystin Silke Stegemann von der Landesbank Rheinland-Pfalz. Die Aktie verlor 1,57 Prozent auf 21,90 Euro. Bayer will den Kauf in diesem Jahr abschließen und mit flüssigen Mitteln sowie bestehenden Kreditlinien finanzieren.






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