Der schweizerische Roche-Konzern stößt mit dem Verkauf des Geschäfts mit rezeptfreien Medikamenten an Bayer sein kleinstes und margenschwächstes Segment ab wie dier FTD im Juli mitteilte. Der Belegschaft droht jetzt der Stellenabbau. Roche erzielte mit verschreibungspflichtigen Pillen im vergangenen Jahr knapp 20 Mrd. Franken Umsatz und 24 Prozent Marge auf Basis des Ergebnisses vor Steuern und Zinsen (Ebit). Die Diagnostika kamen auf 7,4 Mrd. Franken und 19 Prozent Marge. Die in der Apotheke frei erhältlichen Medikamente, die Roche nun an Bayer veräußert, erwirtschafteten dagegen bei knapp 1,8 Mrd. Franken Erlösen nur 15 Prozent Rendite. In diesen Zahlen ist allerdings der - mit knapp 200 Mio. Franken geringe - Umsatz der japanischen Beteiligung Chugai enthalten, die nicht an den Bayer-Konzern übergeht.
Konzentration aufs Kerngeschäft Branchenkenner gehen davon aus, dass sich die meisten Pharmakonzerne, die in der Erforschung patentgeschützter und rezeptpflichtiger Medikamente engagiert sind, auf dieses Kerngebiet konzentrieren werden. Jene, die ein "Over the Counter"-Geschäft (OTC-Geschäft) haben - wie etwa der Roche-Nachbar Novartis - würden es nicht unbedingt verkaufen, es wohl aber vermutlich auch nicht ausbauen. Für Bayer hingegen ist OTC interessant, weil das eigene Geschäft mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln in die Krise gerutscht ist. Bayer musste 2001 den Cholesterinsenker Lipobay vom Markt nehmen, wodurch Milliardenumsätze wegfielen. Der wichtige Umsatzträger Ciprobay hat unlängst seinen Patentschutz verloren. Und aus dem Vorrat an neuen Medikamenten in der Forschung ("Pipeline") wird vor 2006 kein neues Produkt kommen.
Pharmageschäft aufpäppeln Zunächst versuchte Bayer-Chef Werner Wenning, das Pharmageschäft durch einen starken Partner aufzupäppeln. Doch kein Unternehmen fand sich zu einer Kooperation bereit. So deklarierte Wenning stattdessen den Ausbau des OTC-Segments zu einem der obersten Prioritäten. Als positive Kehrseite der niedrigeren Margen ist OTC nicht mit den hohen Forschungsrisiken befrachtet wie das klassische Pharmageschäft. Zugleich lagert Bayer gegenwärtig einen Großteil seiner Chemie- und Kunststoffgeschäfte in eine neue Firma mit dem Namen Lanxess aus - 5,8 Mrd. Euro Umsatz fallen weg. Einen Teil dieses Verlusts kompensiert nun der Zukauf der Roche-Sparte. Nach dem Kauf der Aventis-Pflanzenschutzsparte für rund 7 Mrd. Euro im Jahr 2002 ist es die zweitgrößte Akquisition der Firmengeschichte - zusammen mit dem Erwerb der Polyol-Kunststoffvorprodukte von Lyondell für 2,45 Mrd. $ vor einigen Jahren.
Stellenbabau steht bevor
Bayer erwartet 300 Mio. Euro Einmalkosten durch den Erwerb und eine Belastung für den Gewinn 2005. Von 2006 an werde der Zukauf zum Gewinn beitragen. 100 bis 120 Mio. Euro könnten über drei Jahre stufenweise durch die Fusion an Synergien eingespart werden - davon über 30 Prozent durch Stellenabbau. Wie viele Arbeitsplätze verschwinden, ließ Bayer offen. Bayer hat im OTC-Geschäft 3500, Roche 3200 Mitarbeiter. Die OTC-Europazentrale wird von Leverkusen in die Schweiz verlegt, in die Nähe Basels - unter anderem aus Steuergründen, wie Wenning sagte.
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