2000 Mediziner im Ausstand. Protest gegen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen weitet sich aus. Ver.di gegen Aktionen an Berliner Charité Mit Kundgebungen und Demonstrationen haben die Ärzte der baden-württembergischen und hessischen Universitätskliniken am Dienstag ihre Streikwoche fortgesetzt. Bereits am Montag hatten etwa 1400 Mediziner in den beiden Bundesländern ihre Arbeit niedergelegt. Nach Angaben eines Sprechers der Ärztegewerkschaft Marburger Bund beteiligen sich inzwischen über 2000 Ärzte an den Aktionen. Am Dienstag kam es in Tübingen, Ulm und Heidelberg zu Protesten mit mehreren hundert Teilnehmern. In Wiesbaden nahmen mehr als 600 Ärzte an einer Kundgebung vor der hessischen Staatskanzlei teil. Die Beschäftigten der Universitätskliniken wollen noch bis Freitag, wo sie zu einer Kundgebung nach Berlin mobilisieren, für bessere Arbeitsbedingungen demonstrieren.
Der Protest richtet sich vor allem gegen den Ausstieg der Länder aus dem Arbeitgeberverband TdL (Tarifgemeinschaft der Länder) und damit gegen die einseitige Kündigung der Tarifverträge. Die hat zur Folge, daß vor allem Mediziner mit neuen oder verlängerten Verträgen von Arbeitszeitausweitungen und unbezahlten Überstunden sowie der Kürzung von Weihnachts- und Urlaubsgeld betroffen sind. »Es ist keine Seltenheit, daß bei Wochenarbeitszeiten von oft über 70 Stunden mehr als 30 Überstunden pro Woche entstehen, die nicht entlohnt werden«, teilte die Vertretung der Assistenzärzte der Uniklinik Freiburg, deren Mediziner sich am Dienstag ebenfalls dem Streik anschlossen, mit.
Die Bundesärztekammer solidarisierte sich mit den Streikenden. Die Mediziner in den Kliniken würden durch mehr Arbeit und Bürokratie zunehmend ins Ausland getrieben, erklärte Ärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe am Dienstag in Berlin. »Die dadurch drohende Unterversorgung an deutschen Krankenhäusern werden auch die niedergelassenen Ärzte nicht mehr auffangen können.« In den Kliniken werde das Arbeitszeitgesetz »nahezu völlig ignoriert«. Es sei »schockierend«, daß gerade die Bundesländer die Ärzte in rechtswidrige Verträge zwängen, obwohl sie eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern hätten, so Hoppe.
Auch die Ärzteinitiative der Berliner Charité erklärte ihre Solidarität mit den Aktionen des Marburger Bundes und rief die Ärzte der Charité zu einem Warnstreik am 5. August auf. Die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen seien eine Gefahr für Patientenversorgung, Forschung und Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses, so die Initiative. Ziel der Proteste sei es, den Arztberuf wieder attraktiv zu gestalten und die Abwanderung der gut ausgebildeten Mediziner in andere Berufsfelder oder das Ausland zu verhindern. Bei dem Warnstreik an der Charité wird mit einer Beteiligung von etwa 1000 Ärzten gerechnet.
Die Gewerkschaft ver.di hat sich indes gegen die Aktionen an der Charité ausgesprochen. Es müsse weiterhin versucht werden, die Probleme mit Verhandlungen über einen Tarifvertrag zu lösen. Kritik an dieser Haltung und der Bereitschaft, weitere Verschlechterungen hinzunehmen, kommt vom »Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di«, das für eine Ausweitung der Proteste plädiert. Da nicht nur die Ärzte von den Verschlechterungen betroffen seien, sondern auch Pflegekräfte und alle anderen in Landeskrankenhäusern arbeitenden Berufsgruppen, fordert das Netzwerk seine Gewerkschaft auf, den gemeinsamen Kampf aller Klinikbeschäftigten zu organisieren. Die kritischen Gewerkschafter verlangen vom ver.di-Bundesvorstand, stärker auf den Notstand in den Krankenhäusern aufmerksam zu machen und eine bundesweite Kampagne gegen Tarifabsenkungen, Personalabbau, Privatisierung und die Schließung von Krankenhäusern zu organisieren.
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