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Gewerkschaftsfeindlich
17.10.2005 | 17:40 Uhr

Kongress der IG Bergbau, Chemie, Energie beendet
Kommentar: Daniel Behruzi


Der am Freitag den 14.10.05zu Ende gegangene Kongreß der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) hat den Zustand dieser Organisation erneut vor Augen geführt. Mit lang anhaltendem Applaus hat man dort den Kanzler verabschiedet, unter dessen Ägide das größte Sozialkürzungsprogramm der bundesrepublikanischen Geschichte durchgesetzt wurde. »Unter Freunden« sei Gerhard Schröder bei den Chemiegewerkschaftern, so deren Chef Hubertus Schmoldt. Tatsächlich hat seine Gewerkschaft in den letzten sieben Jahren alles dafür getan, dem »Reformkanzler« den Rücken freizuhalten – und den in ver.di, IG Metall und anderswo Organisierten in selbigen zu fallen.

Und auch bei diesem Gewerkschaftstag zeigte sich die IG BCE von ihrer »modernen« Seite. »Tarifliche Korridore und Öffnungsklauseln«, wie sie in der Chemieindustrie gang und gäbe sind, seien als »Modell für einen funktionierenden, zukunftsfähigen Flächentarifvertrag« anzusehen, heißt es in einer der Entschließungen. In einer anderen werden »die Reformen« wieder einmal »im Grundsatz begrüßt«. Per Kombilohn will Schmoldt den Niedriglohnsektor staatlich subventionieren lassen – und damit ausweiten. Offen sei man für einen »sozialen Dialog« mit Wirtschaft und Regierung, also für die Einbindung der Beschäftigtenorganisationen in die neoliberale Umverteilungspolitik über eine Neuauflage des »Bündnisses für Arbeit«. Selbst eine Erhöhung der unsozialsten aller Steuern, der Mehrwertsteuer, mag der IG-BCE-Boß nicht ablehnen.

Das alles ist nicht wirklich überraschend. Verblüffen könnte allerdings, daß ein Funktionär, der derart gewerkschaftsfeindliche Positionen vertritt, mit 96,9 Prozent der Delegiertenstimmen als Chef von Deutschlands drittgrößter Gewerkschaft wiedergewählt wird. Solcherart »große Geschlossenheit« bleibt »das Markenzeichen unserer IG BCE« (Schmoldt). Wie es dazu gekommen ist, daß die Komanager über die in der Chemiegewerkschaft einst dominierende Linke die Oberhand gewann, ist äußerst lehrreich. 1971 trieben die Chemiekonzerne die damalige IG Chemie, Papier, Keramik – u. a. mit dem Hintergedanken, die innergewerkschaftliche Auseinandersetzung zu eskalieren – in einen Arbeitskampf. Vor allem weil die Konzernbetriebsräte von BASF, Bayer und Hoechst den Streik sabotierten, endete der Konflikt wie von den Unternehmern gewünscht: mit einer Niederlage der Gewerkschaft, auf die ein Führungswechsel und die »Säuberung« des Apparats von linken Funktionären folgte. Seither ist Streik in der Organisation ein Fremdwort. Diese Geschichte sollte Gewerkschaftern z. B. in der IG Metall – in der die Betriebsratsfürsten zuletzt beim gescheiterten Ostmetallerstreik ihre Sabotagemacht demonstrierten – zu denken geben.







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