G-8-Staaten versprechen Maßnahmen zur besseren Medikamentenversorgung in Afrika und Asien. Pharmakonzerne blockieren erfolgversprechende Ansätze
Auf seiner Webseite preist sich der Pharmakonzern Abbott als »philanthropisches« Unternehmen: »In Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Partnern verbessert Abbott das Leben von HIV/AIDS-Kranken in Entwicklungsländern«. Verwiesen wird auf mehr als 70 Millionen Schnelltests zur Erkennung von HIV-Infektionen, die man kostenlos oder ohne Gewinn verteilt habe und ein Behandlungsprogramm für Kinder mit AIDS. Ein Pharmakonzern als Menschenfreund? Bei einer ganzen Reihe von entwicklungspolitischen Gruppen ist Abbott seit Monaten unter Beschuß, weil 580000 HIV-Patienten in Thailand zum Spielball der Konzernpolitik geworden seien.
Abbott hatte in dem südostasiatischen Land den Antrag auf Zulassung des neuen, verbesserten Präparats Kaletra/Aluvia zurückgezogen, nachdem die thailändische Regierung eine Zwangslizenz auf ein älteres Firmenprodukt erwirkt hatte, um dessen Kosten für Arme durch günstigere Nachahmerpräparate (Generika) senken zu können. Zwangslizenzen sind nach Welthandelsrecht ausdrücklich erlaubt, um die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Medikamenten sicherstellen zu können. Bei Abbott Deutschland gibt man sich angesichts des Protests zugeknöpft: Nach Angaben der Grünen-Bundestagsfraktion schlug der Pharmakonzern die Einladung zur Podiumsdiskussion »AIDS: unbezahlbar krank? Stehlen sich die G8 aus der Verantwortung?« in Rostock aus: »Abbott wollte nicht als Einzelunternehmer Stellung beziehen«, so Mitarbeiterin Carole Romero.
Wenn in gut zwei Wochen der G-8-Gipfel in Heiligendamm beginnt, steht auch die AIDS- und Patentpolitik auf dem Programm. Vielleicht zeigt kein anderes Thema so deutlich den Widerspruch zwischen dem Wunsch der G8, sich als humanitäre Organisation darzustellen und gleichzeitig im Interesse internationaler Unternehmen handeln zu wollen. Im offiziellen Papier der Bundesregierung zur Heiligendamm-Agenda ist jedenfalls auf ein und derselben Seite von der »Bekämpfung von HIV/AIDS« in Afrika die Rede – und davon, daß man »Innovationsleistungen durch die Stärkung geistigen Eigentums wirksamer schützen« wolle. Das könnte auch die Patentpolitik bei Medikamenten betreffen.
Bei den Globalisierungskritikern hat es der Konflikt um Pharmaindustrie und Patente nie in die erste Reihe der Themen geschafft: In ihrer Kritik an Privatisierungen steht im Fokus, was schon einmal Bestandteil öffentlicher Fürsorge war, wie die Versorgung mit Wasser, Energie und Krankenhäusern – nicht aber die Medikamentenentwicklung, die traditionell den Pharmafirmen überlassen blieb. Dabei läßt sich gerade in diesem Bereich Marktversagen gut beobachten: Entweder die durch Patente geschützten Medikamente sind für die Patienten zu teuer. Oder aber die Pharmafirmen haben erst gar kein Interesse an der Forschung für Prävention oder Therapie von Krankheiten, an denen vor allem arme Patienten in Entwicklungsländern leiden.
Nichtregierungsorganisationen setzen deswegen auf neue Wege, um das Monopol der Pharmaindustrie auf Medikamentenentwicklung zu umgehen. Im März 2007 stellte die Drugs for Neglected Diseases Initiative (DNDi), die von »Ärzte ohne Grenzen« mitgegründet wurde, ein neues Medikament zur Malariabekämpfung vor: Es ist das erste Präparat, das ohne Patentschutz entwickelt wurde und daher zum Herstellungspreis verkauft werden kann. Nur für die Produktion war man noch auf die Zusammenarbeit mit Pharmafirmen angewiesen. Forschungsgelder kamen außer von DNDi von den Regierungen der Niederlande, Frankreichs sowie der EU-Kommission.
Einen anderen Weg gingen die Finanzminister führender G-8-Staaten im Frühjahr mit ihrer Entscheidung, Firmen, die einen Impfstoff gegen Pneumokokken entwickeln, über zehn Jahre die Abnahme zu einem Festpreis zu garantieren. Der Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) begrüßte zwar die Förderung der Impfstoffe und den garantierten Niedrigpreis für Abnehmer in Entwicklungsländern, kritisierte aber das Programm als »öffentliche Subventionen für Pharmaunternehmen«.
Auffällig ist in jedem Fall das Desinteresse der Bundesregierung an solchen Projekten. Weder zu der Pneumokokken-Initiative noch zu dem Malaria-Präparat leistete der Bund einen finanziellen Beitrag.
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