Der US-Pharmakonzern Merck & Co. nahm Milliarden mit seinem Schmerzmittel Vioxx als Super-Aspirin ein. Dabei war der Verdacht auf Herzinfarkt-Risiken früh bekannt. Der Fall Vioxx ist ein Lehrstück über die Unterdrückung wissenschaftlicher Fehlersuche zugunsten kommerzieller Interessen. Fitzgerald, der zu den führenden amerikanischen Pharmakologen zählt, hatte schon früh (1996) den Verdacht, dass Vioxx die Anfälligkeit der Patienten zu Herzinfarkt und Schlaganfällen verstärkt. Heute gibt es mehr Beweise dafür als jemals zuvor. Vioxx wirkt laut Fitzgerald in Blutgefäßen wie eine Art Brandbeschleuniger.
Das ist ein naturwissenschaftlich schwer zugänglicher Mechanismus. Denn die Gefahr trifft ausgerechnet jene vorbelasteten Patienten, deren Arterien durch eine Art Kabelbrand angegriffen sind - und Vioxx bringt die Gefäße zum Lodern. Ein Herzinfarkt beruht meist auf einer Arteriosklerose, bei der sich Engstellen in den Arterien häufen. Der eigentliche Infarkt aber entsteht meist erst dann, wenn sich an einer Engstelle ein Blutgerinnsel (Thrombose) bildet, das zu einem Totalverschluss der Arterie führt.
Die erste Warnung wird von der Herstellerfirma heruntergespielt
Alarmiert über seine Befunde schrieb Fitzgerald 1998 einen ersten Artikelentwurf, um der Fachwelt seine beunruhigenden Beobachtungen mitzuteilen. Zuvor aber musste der Forscher einen ersten Manuskriptentwurf an Merck schicken. Merck hatte seine Studie finanziert. Eigentlich hatte der Forscher nur den Einfluss von Vioxx auf den Nierenstoffwechsel überprüfen sollen. Die Prostazyklin-Messungen waren dabei eigenmächtige Schritte des Forschers.
In einer ersten Reaktion auf die unerwarteten Ergebnisse aus Philadelphia hieß es in einem Schreiben von Merck-Wissenschaftlern an den Autor, die Resultate seien "interessant und wichtig", aber ein "bisschen kontrovers in der Interpretation." Intern nahmen Merck-Forscher die Daten und Fitzgeralds Hypothese zwar zur Kenntnis, spielten deren mögliche klinische Bedeutung aber von Beginn an herunter. Während Vioxx inzwischen über 2 Mrd. Dollar Umsatz pro Jahr einfährt, diskutiert die Fachwelt infolge von vorhandener Daten intensiver, ob Cox-2-Hemmer das Risiko für Blutgerinnsel in den Blutgefäßen erhöhen können oder nicht.
Das Ende von Vioxx
Das Ergebnis einer Approve-Studie schlägt in der Firmenzentrale ein wie eine Bombe. Dort ist allen Beteiligten sofort klar, dass Vioxx kaum noch zu retten ist. Über das Wochenende werden fieberhaft alle Optionen geprüft, dann fällt die Entscheidung: Am 29. September 2004 entscheidet das Topmanagement, Vioxx "im Interesse der Patienten" weltweit "freiwillig" vom Markt zunehmen.
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