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IG BCE bleibt verläßlich
26.04.2010 | 15:00 Uhr

Tarifabschluß 2010 in der Chemieindustrie

Die Beziehung zwischen Gewerkschaften und Unternehmern in Deutschland werden in der Literatur oft als »Konfliktpartnerschaft« charakterisiert. Doch in bezug auf die Chemieindustrie ist dieser Begriff irreführend. Hier zählt – das hat das am späten Mittwoch nachmittag präsentierte Tarifergebnis erneut demonstriert – nur die »Sozialpartnerschaft«. Von der Möglichkeit, die Interessen der rund 550000 Beschäftigten per Konflikt durchzusetzen, hat sich die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) schon vor Jahren verabschiedet. Statt dessen akzeptiert sie Reallohnverluste und ein weiteres Zerfasern des Flächentarifs.

Kurzzeitig sah es so aus, als sollte ausgerechnet die von Medien und Politik stets als »modern« gepriesene IG BCE das Tarifjahr 2010 ein wenig spannend machen. Ver.di hatte zuvor für den öffentlichen Dienst nach lediglich symbolischen Warnstreiks eine Einkommensverbesserung von 2,3 Prozent in 26 Monaten vereinbart. Und die IG Metall versuchte erst gar nicht, die Tarifrunde mit einer Mobilisierung zu verbinden. Am Ende standen eine Entgelterhöhung von 2,7 Prozent in 23 Monaten sowie eine »tarifliche Kurzarbeit«, die weitgehend von den Beschäftigten finanziert wird. Für die IG BCE seien diese Abschlüsse »kein Maßstab«, ließ die Gewerkschaft noch vor drei Wochen wissen und erklärte: »In der Chemie ist mehr drin.« Die Unternehmer nannten das »Vollkasko-Mentalität«.

Doch das ungewohnte Verbalgeplänkel währte nicht lang. Schon in der ersten zentralen Verhandlungsrunde kamen die IG BCE und der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) überein, den alten Tarifvertrag ohne Änderungen mit einer Laufzeit von elf Monaten wieder in Kraft zu setzen. Die Folge: Die Arbeiter und Angestellten der Branche bekommen monatlich keinen Cent mehr Geld. Sie erhalten lediglich eine Einmalzahlung von 550 Euro, Schichtarbeiter ein wenig mehr. Die Auszahlung bis Ende Juni kann allerdings per Betriebsvereinbarung verschoben oder der Betrag auf bis zu 300 Euro gekürzt werden. Eine weitere Einmalzahlung von 200 Euro soll es in Firmen geben, »die nicht wesentlich von der Krise betroffen sind oder waren«.

Damit setzt die IG BCE ihren Kurs der betrieblichen »Differenzierung« von Tarifstandards fort. Ausdruck dessen ist auch die Vielzahl der Abweichungen vom Flächentarif. Nach Gewerkschaftsangaben haben allein im vergangenen Jahr 347 Betriebe mit über 130000 Beschäftigten von den entsprechenden Öffnungsklauseln Gebrauch gemacht. Der Flächentarif ist damit längst nicht mehr Mindeststandard, sondern nur noch unverbindliche Orientierungsgröße.

Wie im kürzlich geschlossenen IG-Metall-Tarifvertrag finden sich im »Krisenbündnis Chemie« Regelungen zur »Beschäftigungssicherung«, die allerdings gleichermaßen nicht verpflichtend sind. Die Unternehmen müssen zwar den Einsatz von Kurzarbeit, Tarifabweichungen und anderer Instrumente prüfen, bevor sie betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Ausgeschlossen sind diese jedoch nicht.


Daniel Behruzi in jungeWelt

Link:  Wie die IGBCE ihren Abschluss sieht


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