Die Zuckerrohrarbeiter befinden sich schon über 45 Tage im Streik, ohne dass der Verband der Zuckerrohrproduzenten, Asocaña, mit den Arbeitern Verhandlungen aufgenommen hätte, die zu einem Ende des Streikes geführt hätten. Am 14. Oktober, genau nach einem Monat Streik, gab es Verhandlungen, an denen der Arbeitsminister Diego Palacio, der Gouverneur des Valle, Juan Carlos Abadía, 4 Vertreter der Verhandlungskommission der Corteros sowie Vertreter von vier Ingenios teilnahmen. Immerhin war es aber das erste Mal, dass Vertreter der bestreikten Ingenios überhaupt an Verhandlungen teilnahmen, da sie bis zu jenem Zeitpunkt Verhandlungen mit den Corteros systematisch ablehnten. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande, die Unternehmer unterstützt durch die Regierung, verlangten als Vor-aussetzung das Ende der Blockierung der Ingenios und weigerten sich, über eine Direktanstellung der Corteros zu verhandeln. Die Corteros sind nicht bereit, die Blockaden aufzuhe-ben, da sie ihr einziges Druckmittel sind, und sie beharren darauf, dass die Kooperativen CTA überwunden werden müssen. Auch internationale Proteste und Ermahnungen, auch von Europaparlamentariern, Persönlichkeiten und Intellektuellen sowie die Vermittlungsbe-mühungen von zwei Erzbischöfen des Caucatales hatten bisher keine Wende in diesem So-zialkonflikt bewirken können. Diese Woche sollen nun endlich wieder Verhandlungen zumin-dest in einigen Ingenios beginnen, aber nicht alle gemeinsam, sondern jedes Ingenio für sich: Ingenios Manuelita und Providencia (Grupo Ardila Lulle), Mayagüez und Tumaco. Die ersten drei Ingenios produzieren auch Ethanol als Agrotreibstoff. Die Ingenios Incauca (das absolut grösste, ebenfalls zur Grupo Ardila Lulle gehörend), Pichichí, Castilla und María Luisa, haben Verhandlungen noch nicht zugestimmt. Die Corteros hoffen, dass die Verhandlungen dank der internationalen Solidarität diesmal zu Resultaten führen.
Derweil geht aber die Kriminalisierung des Streikes und der Führungspersonen der Zuckerrohrarbeiter weiter. So hat die Sonderstaatsanwaltschaft der Stadt Cali gegen die Führungspersonen der Corteros Oscar de Jesus Bedoya Muñoz (Arbeiter beim Ingenio Providencia), Omar Enrique Sedano Garcia (Arbeiter beim Ingenio Pichichi) sowie gegen José Oney Valencia Ramos, Pressesprecher und Mitglied der Verhandlungskommission, Haftbefehle aus-gesprochen. Ebenfalls wurden die Berater und Mitarbeiter von Senator Alexander López, Alberto Bejarano Schiess und Juan Pablo Ochoa, zur Verhaftung ausgeschrieben. Diese 5 Personen begaben sich am 24. Oktober 2008 in Begleitung von 50 weiteren Führungspersonen freiwillig zur Staatsanwaltschaft, wo sie dann in Haft genommen wurden.
Diese Haftbefehle stehen in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Festnahme einer deutschen Menschenrechtsbeobachterin und zwei französischer Journalisten, die dann ohne Anhörung und anwaltschaftlichen Beistand innert kürzester Zeit deportiert wurden. Uribe beschuldigt diese Ausländer, zur Gewalt aufgerufen zu haben. Es steht ebenfalls in Zusammenhang mit der Stigmatisierung und Verfolgung, deren Opfer Senator Lopez wurde. Schon im Mai 2008 hatte Präsident Uribe dem General Jesús Antonio Gómez Méndez den Befehl erteilt, den Senator wegen Anstiftung zum Klassenkampf zu verhaften. Uribe hat Senator Alexander López auch mehrmals beschuldigt, die Stadtwerke von Cali, EMCALI, zerstört zu haben, da er sich zusammen mit der Gewerkschaft Sintraemcali gegen die willkürliche und korrupte Privatisierung wehrte.
In den letzten Wochen gab es von verschiedenen sozialen Sektoren massive Protestaktionen, da die Regierung Uribe verschiedene frühere Abkommen nicht erfüllte oder die Politik zu schlechten Resultaten führte. So standen die Justizarbeiter seit September in Streik, um gegen die Arbeitsüberlastung mit viel zu lange hängigen Fällen und die Ineffizienz des Justizapparates zu protestieren; die Vereinigung der Lastwagenfahrer und die Arbeiter der Zollverwaltung protestieren wegen nicht eingehaltenen früheren Abkommen. Seit dem 12. Okto-ber 2008 marschieren die Indigenen in verschiedenen Regionen ebenfalls, mit einem Schwerpunkt im Cauca. Die Indigenen im Cauca konzentrieren sich friedlich in La Maria de Piendamó und fordern die Erfüllung historischer Abkommen ein. Darunter fallen die integrale Reparation wegen des Massakers von El Nilo von 1991, das Abkommen zum Grossgrund-besitz von La Emperatriz und die Umsetzung der ILO-Konvention 169. Die Regierungen Ko-lumbiens haben gestützt auf diese Abkommen den Indigenen Ländereien versprochen, ver-zögern nun aber die Umsetzung, da die fruchtbaren Haciendas der Agrotreibstoffproduktion dienen sollten. Die Regierung Uribe reagierte mit beispielsloser Härte auf diese Proteste. Alle Proteste wur-den in die Nähe terroristischer Umtriebe gerückt und den berechtigten sozialen Anliegen so ihre Legitimität genommen. Zudem wurde der Ausnahmezustand erklärt und mit Waffengewalt wurde versucht, Demonstrationen und friedliche Strassenblockaden aufzulösen. Dies führte dazu, dass im Cauca mehrere Dutzend Indigene durch Schüsse verletzt wurden und es zu drei Toten kam. Am 14. Oktober wurde im Flusslauf des Curvaradó der afrokolumbianische Gemeinschaftsführer Walberto Hoyos von Paramilitärs ermordet. Walberto kämpfte für die Rückgewinnung des kollektiven Landbesitzes, die Erhaltung der Biodiversität und gegen die Expansion der illegalen Ölpalmenplantagen.
Bern, 29. Oktober 2008 Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien, Stephan Suhner
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