Tribunal Popular in São Paulo: Der brasilianische Staat auf der Anklagebank
Vom 4. bis 6. Dezember fand in der Jurafakultaet der Universidade Federal de São Paulo das Tribunal Popular statt. Anlässlich des 60. Jahrestages der Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zeigte das Tribunal die tatsächliche Umsetzung der Menschenrechte in Brasilien auf. Zu der Veranstaltung kamen mehr als 600 TeilnehmerInnen, darunter AktivistInnen von Menschenrechtsorganisationen und sozialen Bewegungen, die von der Gewalt betroffen sind. In vier Sitzungen wurden Anklagen über die systematischen Menschenrechtsverletzungen, die von dem brasilianischen Staat ausgehen, erhoben. Die Themenbereiche reichten von der Kriminalisierung der sozialen Bewegungen auf dem Land, Polizeigewalt in den Favelas von Rio de Janeiro, der Situation in den Gefängnissen von Bahia zu Gewalt von paramilitärischen Gruppierungen, die weitestgehende Straflosigkeit genießen.
Auffällig ist, dass die Gewalt sich vor allem gegen schwarze Jugendliche in den Favelas richtet. Diese gesellschaftliche Gruppe wird pauschal mit dem Drogenhandel stigmatisiert. Im Zeichen der „Segurança Pública“ findet eine Militarisierung des Polizeiapparates statt, wobei der Kampf gegen den Drogenhandel als Legitimation dient, um Repression gegen die FavelabewohnerInnen auszuüben.
In diesen Zusammenhang wurden bei dem Tribunal Fälle wie der des Complexo do Alemão hervorgehoben: Am 27. Juni vergangenes Jahres drang die Militärpolizei mit hochbewaffneten Panzerwagen, den sogenannten „Caverão“, in den Favelakomplex ein; 19 Menschen, darunter Kinder, wurden bei der Operation getötet.
Während des Tribunals trafen sich Familienangehörige von Opfern. Insbesondere Mütter, die ihre Söhne durch Schüsse von PolizistInnen oder Milizen verloren hatten, fanden hier Raum, um sich auszutauschen; gleichzeitig sollte der Anstoß für eine landesweite Bewegung gegeben werden. Es wurden Kommissionen für einzelne Bundesstaaten gebildet, und das nächste landesweite Treffen für März 2009 in Bahia festgelegt.
Am Ende der drei Tage fasste der Ankläger in der Abschlusssitzung die Kriminalisierung der armen, schwarzen Bevölkerung als fundamentalen Anklagepunkt gegen den brasilianischen Staat zusammen.
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