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Kolumbiens Coca-Cola-Belegschaft in Gefahr: Kann Solidarität in Deutschland Leben retten?
17.05.2004 | 11:00 Uhr

Kolumbiens Coca-Cola-Belegschaft in Gefahr: Kann Solidarität in Deutschland Leben retten?Delegation des BaSo - Chemiekreises zur Solidaritätsarbeit im Juni 2004 in Kolumbien

jW sprach mit Jürgen Hinzer, Sekretär der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) im Landesbezirk Hessen/Rheinland-Pfalz/Saar

F: Gewerkschaftsarbeit bei Coca-Cola ist weltweit aufreibend, in Kolumbien sogar lebensgefährlich. Was wissen deutsche Coca-Cola-Beschäftigte über die Zustände in den kolumbianischen Betrieben?

Internationale Solidaritätsarbeit gehört in meinem Bereich zum täglichen Brot. Bereits 1999 wurden vier Gewerkschafter beim kolumbianischen Coca-Cola-Abfüller in Carepa von paramilitärischen Kräften getötet, die übrigen wurden gezwungen, aus der Gewerkschaft auszutreten. Nachdem die Gewerkschaft in den vergangenen Jahren dort erneut Zugeständnisse erreicht, Rechte erkämpft und Mitglieder gewonnen hat, steht jetzt alles erneut auf dem Spiel. Es ist zu befürchten, daß die Geschäftsleitung einen Streik provozieren und damit einen Vorwand schaffen will, alle Streikenden und sämtliche Gewerkschafter zu entlassen. Dies würde eine Rückkehr zu den von Gewalt geprägten Zuständen in den 1990er Jahren bedeuten.

F: Was halten Sie als NGG-Sekretär von öffentlichen Protesten gegen Unternehmen wie Coca-Cola und McDonald’s?

Es kann Aufsehen erregen, wenn engagierte Menschen mit spektakulären Aktionen von außen auf Mißstände in bestimmten Betrieben hinweisen. Am besten und wirkungsvollsten ist jedoch der Protest von innen heraus, aus den Reihen der betroffenen Belegschaften selbst. Das dauert vielleicht länger, ist aber letztlich durchschlagender. Das setzt allerdings umfangreiche Überzeugungsarbeit voraus.

F: Und welche Erfolge können Sie mit Ihrer bisherigen Überzeugungsarbeit aufweisen?

Wir haben einen Aufruf der Internationalen Union der Lebensmittelarbeiter (IUL) zu Solidaritätsaktionen mit den Beschäftigten und Gewerkschaftern in Carepa aufgegriffen und diese Fragen intensiv mit den Belegschaften der in unserem Betreuungsbereich liegenden Coca-Cola-Werke in Liederbach bei Frankfurt am Main und Freigericht im Spessart diskutiert. Die Kollegen dort haben das verstanden und wollen die Solidaritätsaktionen so lange fortsetzen, bis in allen Werken des Konzerns in Kolumbien eine freie gewerkschaftliche Betätigung möglich ist. Am 1. Mai wurde der NGG-Block bei der Frankfurter DGB-Demonstration von Kollegen aus den beiden regionalen Coca-Cola-Werken angeführt, die ein Transparent mit der Aufschrift trugen: »Solidarität mit den verfolgten Beschäftigten und Gewerkschaftern in Kolumbien.«

F: Kommt der internationalen Solidaritätsarbeit zugute, daß viele Coca-Cola-Arbeiter in Deutschland selbst Immigranten sind?

In Liederbach sind viele ausländische Kollegen beschäftigt, in Freigericht ganz wenige. Wenn es zu konkreten Aktionen kommt, spielt die Herkunft keine Rolle. Die Belegschaft in Freigericht hat Streikerfahrungen und sich bereits erfolgreich gegen eine Betriebsverlagerung gewehrt. Beide Belegschaften waren bei der DGB-Demo in Stuttgart am 3. April sehr stark vertreten.

Ergänzung CK-news: der BaSo - Chemiekreis wird Mitte Juni 2004 eine grössere Delegation von Gewerkschafter nach Kolumbien senden, um mehrere dortige Gewerkschaften (nicht nur die von der NGG unterstützte, rechtslastige kolumb. Gewerkschaft Sico) in ihrem Kampf für Tarifverträge usw. zu unterstützen.


Interview: Hans-Gerd Öfinger aus jw, Ergänzung CK



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