Die Bundesregierung soll nach Auffassung von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement die Interessen der Industrie noch offensiver gegenüber Forderungen von Umwelt- und Verbraucherschützern vertreten. Insbesondere meint er dabei die Gentechnik und die Chemiebranche.
Clement agiert damit gegen den Verbraucherschutz und tritt wie gewohnt für eine undifferenziert Industriepolitik ein. Nach Einschätzung von Experten würde diese einseitige Bevorzugung langfristig massiv der Industrie schaden, denn Verbraucherschutz zahle sich letztendlich aus (siehe auch Gentechnk-Baso-News vom 15.11. über Bayer, wo Millarden Euro in der Forschung in einem Unternehmen "versenkt" worden sind). Demgegenüber vertritt Clement, Politik "muss industriepolitische Belange fördern und sie bewusst gegen Forderungen aus anderen Politikbereichen wie der Umwelt- und Verbraucherpolitik oder gegen wettbewerbsverzerrende Maßnahmen anderer Staaten vertreten", heißt es im am Montag veröffentlichten Wirtschaftsbericht 2004 Clements.
Der Wirtschaftsminister hatte sich bereits seit 2002 immer wieder Auseinandersetzungen mit den Grünen und Teilen der SPD über die Prioritäten des Regierungshandelns geliefert. Am vergangenen Wochenende etwa lehnte er Forderungen der Grünen ab, Ausnahmen für die Industrie bei der Ökosteuer abzuschaffen. Konkret nennt der Bericht die Novellierung des Gentechnikgesetzes, die nicht dazu führen dürfe, "dass sich die Industrie weitgehend vom Markt zurückzieht". Auch die Neufassung der EU-Chemikalienrichtlinie das Gemeinschaftspatent oder die nächste EU-Abgasnorm für Autos müssten sich stärker als bisher nach Industrieinteressen richten.
"Die spezifische Stärke Deutschlands ist die industrielle Produktion", sagte Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke bei der Vorstellung des Berichts. Politik müsse der Industrie mehr Gewicht beimessen als der Förderung des Dienstleistungssektors.
Dabei basiert die bisher vorgesehenen, z.Z. noch nicht verabschiedete EU-Chemikalienrichtlinie auf der wissenschaftlichen Erkenntniss, dass zweistellige Millardenbeträge jährlich in Europa an Schäden durch die gegenwärtige Chemiepolitik auftreten.
Die Verquickung von Politik und Wirtschaftsfreundlichkeit wird schlagschattenartig deutlich am Wechsel von Staatssekretär Tacke in den Vorstand des Industrieunternehmens Steag.
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