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An die Internationale Gemeinschaft: ein SOS aus Kolumbien
15.03.2005 | 18:34 Uhr

Gewerkschafter, Persönlichkeiten aus Sozialen Bewegungen und der politischen Linken aus Kolumbien wenden sich an uns, die internationale Gemeinschaft, mit einem Hilferuf.

SOS - Warum?

In den letzten Wochen haben wieder verstärkt Verfolgungen, darunter Ermordungen von Aktivisten aus Gewerkschaften und Sozialen Bewegungen stattgefunden. So wurde am 2. März in der Stadt Cartagena auf RAFAEL CABARCAS CABARCAS, Berater und ehemaliges Vorstandsmitglied der Erdölgewerkschaft USO und Vertreter des Linksbündnisses Frente Social y Politico im Stadtrat, geschossen. Rafael und sein Leibwächter liegen schwer verletzt im Krankenhaus. Im Oktober letzten Jahres war versucht worden, seinen neunjährigen Sohn zu entführen. Die Führung der Gewerkschaft USO war schon früher von Paramilitärs zum militärischen Ziel erklärt worden, und es wurde ihr eine Liste mit „zum Tode verurteilten“ Gewerkschaftern zugestellt.

Einen Tag später, am 3. März 2005, wurde der Gewerkschaft USO in Cartagena per Telefon mitgeteilt, dass zu Beginn des Jahres 2000 bei einem Treffen von Industriellen, Stadtpolitikern und dem zentralen Kommando der paramilitärischen Organisation AUC der Plan geschmiedet wurde, eine Gruppe von Gewerkschaftern zu eliminieren. Der Anrufer erwähnte einen Zweistufenplan, demnach Industrielle und Politiker die Adressen und Sicherheitsvorkehrungen der Todeskandidaten zur Verfügung stellen und 86 Millionen Pesos für die erste Phase bereitgestellt würden. Für die zweite Phase der Exekutierung, ab dem 22.Januar 2005, beliefen sich die Kosten 10.000 Dollar pro Person (wörtlich: pro Einheit).

„Operacion Final“

In der Erdölstadt Barrancabermeja wurden in diesem Jahr schon 24 Menschen ermordet (Stand 5. März). 14 Personen sind spurlos verschwunden und die Drohungen gegenüber politischen und sozialen Aktivisten nehmen zu. Hintergrund ist das von bekannten Persönlichkeiten beantragte, in der Verfassung vorgesehene „Referendum“ zur Abwahl des Bürgermeisters, dem Verbindungen zu den Paramilitärs nachgesagt werden. Der Bürgermeister erhielt daraufhin ein Schreiben mit einer Liste von Personen, die vom Bloque Capital der Paramilitärs erledigt werden würden. Unter den Bedrohten befindet sich der ehemalige Vorsitzende der USO Hernando Hernandez, der örtliche Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbandes CUT Juan Carlos Galvis, die Direktorin der Frauenorganisation OFP Yolanda Becerra, Menschenrechtsvertreter und andere, die uns bitten, mit unserem Protest zu ihrem Überleben beizutragen.

Peace Brigades International informieren

Wir wollen auch die Ermordung des bekannten Friedensaktivisten Luis Eduardo Guerra und weiterer sieben Personen, darunter Kinder im Alter von zwei, sechs und elf Jahren Ende Februar 2005 nicht unerwähnt lassen. Guerrera war eine führende Persönlichkeit in der Friedensgemeinde in San José de Apartadó. Luis Eduardo, seine und eine weitere Familie wurden fürchterlich verstümmelt aufgefunden, nachdem sie von Soldaten des kolumbianischen Heeres verschleppt worden waren.

Arauca - ein wahres Kriegsgebiet

Zuletzt möchten wir noch die Situation in der Erdölregion Arauca an der venezolanischen Grenze ansprechen, da diese ein wahrer Kriegsschauplatz geworden ist. In dem einstmals vergessenen, den Indigínas vorbehaltenen Gebiet, wurde Öl gefunden, und mit dem Öl begann der Krieg. Die Konzerne Occidental Petroleum (OXY) und Repsol begannen, den Lebensraum der indigenen Bevölkerung zu zerstören, die Umwelt zu vergiften und mit US-Steuergeldern, die Ausbeutung des Rohstoffes mit dem Einsatz von Militär zu garantieren. Menschen, die sich den wirtschaftlichen Interessen der Firmen entgegenstellen, werden verfolgt, die Menschenrechte mit Füßen getreten.

Warum das alles?

Bei den bedrohten, verfolgten und ermordeten Personen handelt es sich überwiegend um Gewerkschafter, Persönlichkeiten linker Parteien und Aktivisten aus sozialen und indigenen Bewegungen, die sich in politischer Opposition zur ultrarechten Regierung befinden, und für eine Veränderung der Lebenssituation der überwiegend armen Bevölkerung eintreten. Sie kämpfen gegen die Privatisierung, den Ausverkauf ihrer zahlreichen natürlichen Ressourcen und haben oft auch Konzepte für Alternativen. Sie treten für eine gerechte Landverteilung ein, oder legen sich mit Konzernen wie Coca Cola und Nestlé an, die Arbeiterrechte verletzen und für die Gewerkschaften ein Investitionshemmnis darstellen.

Da diesen, als Terroristen gebrandmarkten, Aktivisten in der Regel keine Gesetzesverstöße angelastet werden können, agieren die Paramilitärs, die oft im Schutze der Armee bestialisch foltern und morden, um sich ihrer zu entledigen. Verschiedentlich schlägt das staatliche Militär auch selbst zu.
Unsäglich ist auch der Umstand, dass mit diesen Paramilitärs sogenannte Friedensverhandlungen geführt werden, die ihnen Straffreiheit und die Legalisierung des von den Vertriebenen geraubten Landes in Aussicht stellen.

Erschreckende Zustände in einem scheinbar demokratischen Land

Das oben Beschriebene ist fast unglaublich, handelt es sich in Kolumbien doch per Definition um eine Demokratie. Und doch sind seit Jahren die gravierenden Menschenrechtsverletzungen und furchtbaren Gräueltaten wie Folterungen, Vergewaltigungen und Verstümmelungen kein Geheimnis. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und auch die Gewerkschaftsbünde prangern sie an. Die Justiz ist untätig oder selbst bedroht. Die Straffreiheit bei den Ermordungen von Gewerkschaftern ist über 90%, d.h. die Verbrechen werden praktisch nicht verfolgt.

Kolumbien ist das gefährlichste Land der Welt für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Auf den Tagungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden jährlich mit vielen Dokumenten die Beweise gegen die Verstöße von Arbeits- und Menschenrechtsnormen geführt. Zu einer echten Sanktion kommt es nicht, da wie an anderen Orten der Welt auch wichtige Interessen der USA und transnationaler Konzerne berührt sind. Nur die Unterstützung aus Washington mittels des sogenannten Plan Colombia ermöglicht es der kolumbianischen Regierung, den gigantischen Militärapparat zu finanzieren und eine politische Legitimität auf internationalem Parkett zu erlangen. Unter diesen Umständen drückt dann auch die Europäische Union in Menschrechtsfragen die Augen zu.

Unterstützt die Kampagne SOS Kolumbien

Angesichts dieser dramatischen Situation ist es wichtig, dass wir, die Menschen in anderen Teilen der Welt, die Verteidigung unserer Kolleginnen und Kollegen in die Hand nehmen. Wie in anderen Fällen auch, können wir uns nicht auf Institutionen und Regierungen verlassen. Daher bitten wir alle Gleichgesinnten, die sich gegen die Unterordnung der Menschenwürde unter den Vorrang der Ökonomie wehren, die in ihren Städten und Ländern gegen Privatisierung, gegen den Raubbau an der Umwelt und den Ausverkauf der natürlichen Ressourcen und vielleicht auch für eine andere Welt kämpfen, oder nur als Mitmenschen einfach solidarisch sein wollen, die internationale Kampagne SOS Kolumbien zu unterstützen.

Was können wir tun?

Hier einige Vorschläge:
- Flugblattverteilung bei Aktionen, in Betrieben und Gewerkschaften
- Protestbriefe an die kolumbianische Regierung, Adressen
- Aktionen vor kolumbianischen Botschaften und Konsulaten mit Übergabe von Protestnoten
- Pressearbeit, Interviews, Webseiten etc.
- Parlamentarier und Politiker ansprechen

Weitere Informationen sind abrufbar unter:
www.colombiaactionnetwork.org
www.colombiasolidarity.org.uk
www.kolumbien-aktuell.ch
www.kolumbienkampagne.de
www.labournet.de
http://home.landtag.nrw.de/mdl/marianne.huerten/0411-Kolumbien.pdf
www.nuevacolombia.de

Erstaufrufer Stand 11. März 2005:

Deutschland
Zeitschrift Arranca!
Dario Azzellini, Autor und Filmemacher
Baso-Chemiekreis www.baso-news.de
Udo Bonn, Betriebsrat IG Metall Köln
Hermann Dierkes, IG Metall-Betriebsrat Duisburg
Für eine Linke Strömung (FelS)
Jochen Gester, AK Internationales der IG Metall Berlin
Marianne Hürten, Landtagsfraktion der Grünen NRW,
Volker Hoffmann, Filmemacher, www.weltfilme.de
Internationales Solidaritätsnetzwerk ISNRSI www.isnrsi.net
Kolumbienkampagne, www.kolumbienkampagne.de
LabourNet Germany, www.labournet.de
Pax Christi, Solidaritätsfonds
Günter Pohl, Journalist
Georg Wolter, Betriebsrat, IG Metall Köln

Frankreich
Bernard Schmid, Journalist Paris

Spanien
Grupo Impulsor de la Asamblea Internacional de la Sociedad Civil por la Paz de Colombia
(Apoya: CEAR, CGT, Colectivo de Colombianos Refugiados en España, Colombianos en el Exterior-Ciudadanos del Mundo, Comité de Solidaridad con África Negra, Comité Madrileño de DDHH por Colombia, Comité Mons. Oscar Romero, Comunidades Cristianas Populares, Derechos para tod@s,
Ecologistas en Acción, Espacio Alternativo, Fundación Madrid Paz y Solidaridad de CC.OO., Iglesia de Base de Madrid, Izquierda Unida, Paz con Dignidad, PTM Mundubat)

USA
Frank and Paula Panzarella, New Haven







Link:  Link zum Protestbrief und zur Kampagne


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